Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
Vom Netzwerk:
die Küche zurück und wartete.
    Dann Lärm von draußen. Ein freudiges Johlen im Vorgarten schien das Zeichen dafür zu sein, dass es Renate geschafft hatte. Martin war unversehrt wieder unter ihnen. Lediglich den Verlust seiner Armbanduhr hatte er zu beklagen. Sie war ihm am Eingang eines Gefängnisses, das im Keller einer ehemaligen Villa untergebracht war, von einem Polizisten abgenommen worden. Zurück hatte er sie bei seiner Entlassung nicht erhalten. Das war zu verschmerzen. Alle waren froh, dass er wieder da und ihm nichts geschehen war. So ganz vertrauten sie dieser revolutionären Welt eben doch nicht. Lateinamerika mit seinen Diktaturen war in ihren Köpfen mit Unrechtsstaaten und dem spurlosen Verschwinden von Menschen verbunden. Diese Angst wurde bei Martins Verhaftung sofort in ihnen geweckt. Warum sollten sie auch einem Land mit fremden und unübersichtlichen Verhältnissen so ohne weiteres trauen? Obwohl sie grundsätzlich gern gesehene Gäste dieses Landes waren, die am Aufbau einer gerechteren Gesellschaft mitarbeiten wollten, hatte dieser Vorfall einige erschüttert. Aber Renate spielte den Vorgang herunter. Wenn man immer seinen Pass dabei hätte, dann würde einem nichts geschehen. Und an einem Tag, an dem der Präsident sich in der Öffentlichkeit zeigte, waren die Sicherheitsmaßnahmen eben sehr streng. Die Regierung durfte nicht das Risiko eingehen, dass ihrem Präsidenten etwas zustoßen könnte. Er galt als hochgefährdet und die Verantwortlichen gingen davon aus, dass aus dem Ausland angeheuerte Auftragskiller versuchen wollten, ihn zu ermorden. Darum hielt sich der Präsident selten in der Öffentlichkeit auf, schlief jede Nacht an einem anderen, geheimen Ort.
    Renate hatte nicht nur Martin wieder mitgebracht, sondern auch die Nachricht, dass sie am kommenden Morgen mit einem Lkw ihre weitere Reise nach San Martin beginnen wollten.
    Aufgrund der bevorstehenden Abreise entschieden sich die meisten der Brigadisten dafür, irgendwo in der Stadt bei einem Bier den Abschied zu feiern.
    Fast alle wollten ins Sarah’s, aber Christian Dunker und die beiden Brigadisten, mit denen er einkaufen gegangen war, wollten noch etwas anderes sehen. Ein Blick auf die Uhr machte den dreien klar, dass sie sich sputen mussten. Es war schon halb fünf, und bald kam der große Regen. Sie entschlossen sich, nördlich der Laguna de Tiscapa nach Westen zu gehen, um auf den Paseo Salvador Allende zu gelangen. Dort hofften sie, auf weitere Restaurants oder Kneipen zu treffen. Links von ihnen tauchte das „Intercontinental“ auf, das beste Hotel der Stadt. Wer hier wohnen wollte, musste mit harten US-Dollars bezahlen. Das Hotel war jetzt im staatlichen Besitz und eine Einnahmequelle für ausländische Währungen, die Nicaragua für den Handel am Weltmarkt benötigte; sofern das Handelsembargo der USA das zuließ. Durch diese Präsenz des Dollars in Nicaragua war natürlich ein Schwarzmarkt entstanden. Ein Umstand, der bei den Brigadisten keine Unterstützung fand, da sie eine zweite Währung im Land neben dem Cordoba nicht fördern wollten. Dennoch war es so, dass viele Händler lieber Dollars statt der einheimischen Währung sehen wollten. Aber wer sich mit Nicaragua solidarisierte, bestand darauf, in Landeswährung zu bezahlen.
    Am Paseo Salvador Allende konnten Dunker und seine beiden Begleiter kein gescheites Restaurant finden. Es gab hier einige wirklich schicke Läden, nicht zu vergleichen mit dem Sarah’s, aber sie fühlten sich nicht wohl bei dem Gedanken, mit ihrem Brigadisten-Outfit unter den anderen Gästen, die hauptsächlich Anzüge trugen und Krawatten, wie sie beim Blick durch die Fenster feststellten, zu sitzen und zu essen. Zu sehr machten diese Leute auf sie den Eindruck von Feinden der Revolution.
    Als sie gegenüber das psychiatrische Krankenhaus von Managua erblickten, war auch der Paseo zu Ende. Vor ihnen lag die Laguna de Asososca und glücklicherweise, denn es war schon fast fünf Uhr, und der Himmel begann sich zu bedecken, entdeckten sie ein Schild mit einem Hinweis auf ein Restaurant, das direkt am See liegen sollte. „El Panorama“ hieß es und machte den Eindruck, dass sie hier ohne unangenehme Gefühle einkehren konnten. Sie bemerkten, dass in der näheren Umgebung noch weitere Restaurants angesiedelt waren, aber nur das El Panorama hatte seine Lage an der Laguna. Sie nahmen in gemütlichen Bambussesseln auf der Veranda Platz und genossen den Blick auf das tiefgrüne Wasser des Sees.

Weitere Kostenlose Bücher