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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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anstieg Richtung Ortsausgang.
    Die Bausubstanz Juigalpas wies kaum Spuren des Befreiungskampfes auf. Sie war gut erhalten, ganz anders als in der Hauptstadt. Die niedrigen, eingeschossigen Häuser mit den gebrannten Dachpfannen wirkten gepflegt. Vor ihren Fenstern waren die typischen, gewölbten Gitter aus Schmiedeeisen angebracht. Durch manche geöffnete Haustür konnte man in einen begrünten Innenhof oder in lateinamerikanischem Stil möblierte Dielen schauen. Materiell wirkte Juigalpa intakt. Inwieweit hier statt der Bauten die Seelen der Menschen durch den Krieg zerstört oder verletzt worden waren, war nicht von außen erkennbar. Im Ort herrschte aber eine merkwürdige Stimmung, die ihnen im Büro des CNSP, nachdem sie es gefunden hatten, erklärt wurde.
    „Der größte Teil der Bevölkerung war hier auf Seiten von Somoza“, erläuterte der Vorsitzende des CNSP den Brigadisten. „Viele Bewohner Juigalpas waren Händler, Kaufleute, die mit der Diktatur kooperierten.“
    Die Brigadisten sollten sich in Juigalpa nicht mit jedem einlassen, mahnte der Vorsitzende, man wisse nie. In der Stadt gäbe es sicher Leute, die mit der Contra Kontakt haben.
    Dann erläuterte er die Sicherheitslage. Auf der Straße, die die Gruppe nach Nueva Guinea bringen sollte, war ein Linienbus auf eine Mine der Contra gefahren. Zurzeit musste das Militär klären, ob sich die Contra noch in der Gegend aufhalten würde. Jedenfalls war es für heute zu gefährlich für die Brigadisten, weiterzufahren. Selbst, wenn sie militärisches Geleit erhalten könnten.
    Das CNSP hatte den unvermeidlichen Aufenthalt der Brigade aber schon organisiert. In der Nähe, an der Hauptstraße gelegen, befand sich eine einfache   hospidaje , eine Art Herberge, in der sie übernachten sollten. Am nächsten Morgen würde man weitersehen. Wenn das Einverständnis der Bezirksregierung vorläge, könnten sie weiterfahren. Mit diesen Erläuterungen entließ der Vorsitzende des CNSP die Brigade, und sie suchten nach der Unterkunft.
    Die nicaraguanische Regierung wollte möglichst verhindern, dass internationale Brigadisten in Kampfhandlungen verwickelt wurden. Für sie lag deren Wert hauptsächlich darin, als Zeugen der Situation im Lande zu fungieren und zudem, sozusagen als lebendes Schutzschild, für die Sicherheit der Bevölkerung in den grenznahen Gebieten zu dienen, in denen die Contra operierte. Denn die Contra und die sie unterstützenden Länder müssten das Risiko internationaler Verwicklungen eingehen, falls sie eine Ortschaft angreifen würde, in der Internationalisten, zum Beispiel auch aus den USA, arbeiteten. Der Tod von Zivilisten einer Nation, die die Contra förderte, war kontraproduktiv für die Konterrevolutionäre. Außerdem versprachen die Brigaden im Grenzgebiet natürlich auch mehr Schutz für die jetzt vorhandenen Erfolge der Revolution: Gesundheitsposten, Kooperativen, Lehrer und Ingenieure.
    Ein von Honduras ausstrahlender, sandinistenfeindlicher Radiosender hatte vor einigen Tagen die Kämpfer der Contra aufgerufen, alle Deutschen im Land zu töten. Das hatte einige sehr beunruhigt. Auch die Brigadisten, die davon hörten, als sie noch in Managua weilten. Als sie nun an der Rezeption der   hospidaje   standen, plärrte aus dem Lautsprecher in der Ecke die Stimme des Nachrichtensprechers von Radio Revolución, die erklärte, dass derselbe honduranische Feindsender heute seine Haltung revidiert hatte und nun dazu aufrief, ausschließlich die Ostdeutschen zu töten. Laut Kommentar das Ergebnis einer Intervention des bundesrepublikanischen Botschafters in Honduras.
    Für alle ein deutliches Zeichen dafür, dass auch die Bundesrepublik Deutschland in irgendeiner Weise mit der Contra verbunden war. Und wenn es nur aus Freundschaft mit ihrem Verbündeten, den USA, war.
    In der   hospidaje   gab es nur Vier-Bett-Zimmer, die ihren Namen nicht verdienten und eigentlich mehr Verschlägen ähnelten, da sie einfach in einen großen Raum hineingezimmert waren. Es gab keine Fenster, und lediglich ein freigelassener Streifen zur Decke sorgte für Belüftung. Matratzen und Laken der Betten waren von Motten angefressen. Der Boden aus weißen Fliesen glänzte aber. Alles war grundsätzlich sauber, nur eben ärmlich. Es gab kein sichtbares Ungeziefer. Nur draußen auf der Veranda liefen immer wieder Kakerlaken zwischen den wenigen Tischen und Stühlen herum. Am Ende der langen Veranda gab es einen steinernen Unterstand. Hier befanden sich die Duschen.

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