Willenlos
doppelter Windsor, alle Achtung, hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
Janine bedachte ihren Mann mit einem stolzen Blick, dieser jedoch kämpfte darum, die Fassung zu wahren.
Das Geschirr war längst abgeräumt, unheimlich wichtige Reden und Ständchen erduldet, die Gäste saßen in den bekannten Grüppchen beisammen. Janine und Joshua hatten sich an den Tisch von Petra und Kalle gesetzt, Daniel kam mit Melissa dazu. Sie plauderten bei Bier und Wein, darum bemüht, die Frauen nicht mit dienstlichen Themen zu langweilen.
»Joshua! Das ist ja eine Überraschung.«
Der Angesprochene hob den Kopf und blickte direkt in die mandelbraunen Augen der dunkelhaarigen Frau.
»Fabiola. Setz dich doch.«
Janine und Joshua rückten zur Seite, Joshua zog einen Stuhl vom Nachbartisch heran.
»Darf ich vorstellen, Staatsanwältin Fabiola Meingold.«
»Fabiola reicht völlig.«
Joshuas Freude war ihm anzumerken. Mit Fabiola verband ihn eine kurze, aber umso heftigere Beziehung in der Zeit nach der Ausbildung. Nach dem Studium hatte Fabiola Meingold ein Jahr in Krefeld an der Seite des damaligen Staatsanwaltes König verbracht. Mit Max Drescher war sie besonders gut ausgekommen. Fabiola war damals die einzige Person, die es fertig brachte, dem knurrigen Drescher gelegentlich ein Lachen abzuringen. Die beiden verband beinahe so etwas wie eine Vater-Tochter-Beziehung.
»Wie läuft es in Bochum?«, wollte Joshua wissen. Fabiola schürzte die Lippen. Joshua bereute die Frage.
»Na ja.«
»Schon gut, war blöd von mir …«
»Nein«, fuhr sie sofort dazwischen, »es ist nur …«
Fabiola Meingold senkte für einen Augenblick das Gesicht, zögerte, strich nervös durch die dunklen Haare.
»Ich habe vorgestern dafür gesorgt, dass ein Kollege lebenslänglich bekommen hat.«
»Der mordende Staatsanwalt aus Arnsberg!«, rief Kalle. Es klang fast wie Jubel. Joshua hatte davon gehört. Es war kaum möglich gewesen, nichts davon mitzubekommen. Der Fall hielt sich monatelang in den Medien.
»Ein Staatsanwalt, der seinen Zahnarzt umlegt.«, fuhr Kalle ungefragt fort, ohne jegliches Gespür für Fabiolas Gemütszustand. »Wenn er es verdient hat. Habe ich auch schon öfter dran gedacht, nachdem mein Doc mir mal wieder den Bohrer in den Kiefer gedrückt hatte.«
Alle sahen Kalle streng an, ohne dass dieser die leiseste Ahnung hatte, warum.
»Das ist genau das Problem«, antwortete die Staatsanwältin mit ruhiger Stimme.
»Es war nicht
sein
Zahnarzt, er kannte ihn nach eigenem Bekunden überhaupt nicht. Wir konnten keinerlei Verbindung zwischen Täter und Opfer nachweisen. Scheinbar gibt es kein Motiv, ein Geständnis ebenso wenig, Thalbach hatte die Tat bis zum Schluss abgestritten. Es war ein reiner Indizienprozess, die Beweislage allerdings erdrückend.«
Joshua stellte langsam das Bierglas ab. Es kam ihm vor wie ein Déjà-vu. Deutlich spürte er sein Herz wie den Schlag einer Alarmglocke.
»Das kommt mir bekannt vor«, riss ihn Daniel aus den Gedanken. Der LKA-Fahnder war immer noch fassungslos. Fabiola Meingold sah die beiden fragend an. Joshua begann damit, ihr den Fall Hornbach zu schildern. Fabiola zeigte hohes Interesse. Petra und Janine gingen mürrisch an einen anderen Tisch. Der Wirt drehte die Musik lauter. Die rauchige Stimme eines Italieners legte sich über das Gespräch. »Das ist sehr interessant«, resümierte sie, »diese Fälle weisen enorme Ähnlichkeiten auf. Dr. Rieger, dem Opfer, wurde in seiner Praxis in Recklinghausen ebenfalls von hinten die Halsschlagader durchtrennt. Thalbach behauptet felsenfest, dass er noch nie in seinem Leben in Recklinghausen war. Was aber nicht der Wahrheit entspricht. Wir konnten ihm mithilfe von Fingerprints am Tatort und einem Zeugen das Gegenteil nachweisen. Später wiesen wir noch biologische Spuren nach, die einwandfrei von Thalbach stammten. Dies alles reichte dem Gericht.«
Joshua dachte fieberhaft nach. Womit niemand gerechnet hatte, war eingetreten, es gab einen Modus Operandi. Damit lag die Vermutung nahe, dass für beide Taten derselbe Täter verantwortlich war. Thalbach saß bereits seit dem vergangenen Jahr im Gefängnis. Er verfügte somit für den Mord an dem Polizisten Dahlmann über das denkbar beste Alibi. Die Beweislage war laut Fabiola Meingold eindeutig, somit blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder Staatsanwalt Thalbach war tatsächlich des Mordes schuldig und Udo Hornbach ein Trittbrettfahrer, was Joshua für völlig absurd hielt oder
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