Willenlos
Bonsai, das haben Sie so schnell herausgefunden?«
»Na ja, Sie waren ja lange genug frühstücken.«
Der sich anbahnende Ausdruck von Zufriedenheit verschwand schlagartig aus Zimmers Gesicht.
»War auch nicht sehr schwer. Der Täter hat’s praktisch in den Boden geschrieben.«
Wachmann warf eine Aufnahme der Spurenermittler über den Schreibtisch. Zimmer nahm sie mürrisch auf. Auf einem Stück feuchtem Waldboden waren in dem quadratischen Sohlenmuster die Buchstaben »Pr« ersichtlich. Zimmer schüttelte den Kopf.
»So blöd kann man doch gar nicht sein. Das gefällt mir nicht«, der Hauptkommissar blätterte in dem Bericht der Kriminaltechnik.
»Vielleicht Totschlag im Affekt?«
»Nein«, antwortete Zimmer. »Im Gebüsch gegenüber der Bank haben die Jungs jede Menge von diesen Abdrücken gefunden. Der Täter hat dort auf sein Opfer gewartet.«
»Das muss nichts bedeuten«, Wachmann wollte seine These nicht voreilig verwerfen, »sollte eine Aussprache werden, es kam zum Streit und«, der kleinwüchsige Oberkommissar strich den ausgestreckten Zeigefinger am Hals entlang.
»Klar. Für eine Aussprache nimmt man vorsichtshalber ein Fleischermesser mit. Reich mir mal den Autopsiebericht.«
»Ein Fleischer in der Mittagspause«, Wachmann wirkte unsicher. Oskar Zimmer sah flehend zur Zimmerdecke.
»Ein Fleischer in Pradaschuhen, is klar.«
Zimmer schlug die Mappe auf und murmelte undeutlich: »Trachea und Aorta vollständig mit einem Schnitt durchtrennt, keine Verletzung der Ösophagus.«
»Verdammt noch mal, können unsere Metzger eigentlich kein Deutsch? Das versteht doch kein Mensch!«
Zimmer wählte die Nummer des Rechtsmediziners Polanski. Nach etlichen Übersetzungsversuchen und Nachfragen legte er zufrieden auf.
»Deine Fleischertheorie kannst du dir von der Backe putzen, Kleiner. Auf der Stirn des Opfers befinden sich Druckstellen und kleinere Verletzungen«, Zimmer lief um die Tische herum. Unvermittelt legte er die linke Hand auf Wachmanns Stirn und zog den Kopf mit einem Ruck nach hinten. Fast gleichzeitig strich der knorpelige Zeigefinger seiner rechten Hand über den Hals des Kollegen. Zimmers Achselschweiß kroch dabei aufdringlich in Wachmanns Nase. Angewidert befreite er sich.
»Genauso hat es sich abgespielt. Nix mit Affekt, das war eiskalter Mord.«
Zimmer ging an seinen Schreibtisch zurück.
»Was wissen wir vom Opfer?«
Wachmann kramte den nächsten Zettel hervor. Er war daran gewöhnt. Vor drei Jahren hatte er sich auf diesen Posten beworben. Damals war ihm nicht bewusst, dass ein neuer Sekretär für den Kollegen Zimmer gesucht wurde. Obwohl Oskar Zimmer seit 14 Jahren auf diesem Stuhl hockte, war Wachmann Rekordhalter. Niemand hatte es zuvor geschafft, drei Jahre an der Seite Zimmers durchzuhalten. Als gestern am Spätnachmittag eine kleine Mordkommission zusammengestellt wurde, hatte sich niemand freiwillig gemeldet.
»Gregor Danzer, 53 Jahre alt, Leiter der Stadtbücherei Düsseldorf-Benrath. Verheiratet mit Wilma Danzer, drei erwachsene Töchter, einen Enkelsohn. Tadelloses Führungszeugnis, nicht mal eine Knolle wegen Falschparkens.«
Zimmer knipste den Kugelschreiber in seiner Hand fortwährend auf und ab, es machte Wachmann nervös.
»Gut, nehmen wir uns den Keller der Danzers vor.«
»Bitte?«
»Irgendwo muss der Kerl eine Leiche versteckt haben. Ihm dürfte wohl kaum jemand die Kehle durchschneiden, weil er ein Buch nicht pünktlich abgegeben hat. Das heißt, ich übernehme das, da ist Feingefühl gefragt. Du schnappst dir die Ella und suchst nach Zeugen. Wäre auch nicht schlecht, wenn ihr was über die Mokassins und die Reifenspuren rausbekommt.«
21
»Papi, hilfst du mir gleich bei den Hausaufgaben?«, fragte David.
Joshua schnitt ein Stück vom ›strammen Max‹, wollte es zum Mund führen. Neben ihm saß Jagger auf den kalten Fliesen und sah mit herzzerreißendem Blick auf. Er schaffte es so zu gucken, als hätten sie seit zwei Wochen vergessen, ihn zu füttern. Führte dies nicht zum Erfolg, versah er gewöhnlich im nächsten Schritt die Bettelei mit einer Art Hintergrundmusik, die entfernte Ähnlichkeit zu Mozarts 40. Sinfonie in g-Moll erreichte.
»Was, jetzt noch?«
»Ich habe es nicht verstanden. Wenn es dir auch so geht, fahre ich morgen Vormittag zur Schule und lasse es mir erklären«, unterstützte Janine ihren Sohn. In dem Moment, da Joshua antworten wollte, klang dumpf die Melodie seines Handys von der Garderobe im Flur.
Der
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