Willenlos
schrie Joshua zurück, »ich kann Sie auch vorladen oder gleich mitnehmen.«
»Raus!«, brüllte er erneut. Karin drängte sich an ihm vorbei, zog Joshua an der Schulter herum auf den gepflasterten Weg des Eingangsbereiches. Mit lautem Knall flog hinter ihnen die Haustür ins Schloss.
»Du bist ein solches Riesenarschloch«, zischte sie ihrem Kollegen auf dem Weg zum Auto zu. Joshua hatte es während dieser Aktion die Sprache verschlagen. Vor ihrem Wagen lehnte er sich an die Fahrertür und sah Karin tief in die Augen.
»Kannst du mir mal verraten, was hier gespielt wird?«
Karin stemmte die Arme in die Hüfte, ihre Augen verengten sich, Joshua hatte sie selten so aufgebracht erlebt.
»Du dringst wie eine Abrissbirne in das Haus meines Freundes und fragst, was gespielt wird?«
»Kann ich denn riechen, dass du Alleingänge startest?«
»Alleingänge? Ich fass es nicht!«
Karin war außer sich vor Wut.
»Darf ich dich daran erinnern, wie oft wir dir den Rücken freigehalten haben, weil du mal wieder so ein… Gefühl hattest?«
Joshua fasste ihr an den Ellenbogen, sie zog ihren Arm energisch zurück.
»Wir gehen ein paar Schritte bis oben an die Ecke und dann unterhalten wir uns in Ruhe, komm!«
Für Sekunden war Karin nicht klar, wie sie reagieren sollte. Dampf aus dem Kessel lassen, sie hatten gemeinsam den Lehrgang zur Konfliktbewältigung in Stresssituationen besucht. Er galt dem Umgang mit gewaltbereiten Tätern oder Tatverdächtigen. Karin spürte ihre zitternden Nerven. Widerstandslos lief sie neben Joshua her. Die anfängliche Wut auf den Kollegen kehrte sich um, wandelte sich langsam in beißende Selbstvorwürfe. Joshua schwieg, bis sie nach drei Minuten das Ende der Stichstraße erreicht hatten. Sie bogen rechts ab, nach wenigen Schritten setzten sie sich auf eine kleine Mauer.
»Udo Hornbach hat mich vor einer Stunde angerufen«, begann Joshua emotionslos, »er konnte sich erinnern, woher er den Namen Dahlmann kennt.«
»Ulf hatte sich mit ihm geprügelt, aus Eifersucht«, führte Karin den Satz des Kollegen fort. Den Bauch gekrümmt richteten sich ihre Augen apathisch auf den Gehweg.
»Du hast es die ganze Zeit gewusst?«
Joshua musste sich zwingen, den gemäßigten Tonfall beizubehalten. Langsam hob sie den Kopf und drehte sich Joshua zu, bemerkte seinen vorwurfsvollen Blick.
»Ich habe Scheiße gebaut. Ich hätte mich nicht in ihn verlieben dürfen. Was soll’s, ist jetzt sowieso vorbei.«
»Mist, das tut mir leid.«
Karin trocknete sich mit dem Ärmel die Augen.
»Hätte auch anders ausgehen können. Vorhin, als Ulf mit dem Messer vor mir stand, ich meine … wenn meine Befürchtung sich erfüllt hätte …«
»Hat sie aber nicht?«
Karin schüttelte den Kopf. Sie berichtete ihm von dem Einbruch, von ihrem Verdacht, vom Notar Rieger. Joshua wusste, was das bedeutete. Durch Karins illegales Handeln war es nun so gut wie unmöglich, gegen Gerster vorzugehen. Zum Glück war dies auch nicht mehr nötig. Auf dem Rückweg quälte Karin das Gewissen. Joshua musste sich große Sorgen gemacht haben beim Anblick ihres Autos.
»Es tut mir leid. Bist stinksauer, nicht wahr?«
»Natürlich«, er gab ihr einen Klaps auf die Schulter, »wenn demnächst alle so arbeiten wie ich, können wir den Laden dichtmachen.«
23
Um halb zehn erschien Jack in ihrem Büro. Sofort deutete er auf einen Stapel Post und Mappen mit Presseberichten, die ein Bote vor wenigen Minuten auf den Tisch gelegt hatte. Karin, Joshua und Daniel waren bemüht, die Fakten im Fall Thalbach auszuwerten. Die Ergebnisse aus den Ermittlungsakten wiesen eine verdächtig hohe Zahl Übereinstimmungen zum Mordfall Hornbach auf.
»Ist schon komisch«, begann Holsten. Joshua sah ihn neugierig an.
»Eben hat mich Bornmeier angerufen. Ich soll dir mitteilen, dass die Ermittlungen im Fall Hornbach sofort zu beenden sind. Das Gericht hat den Fall bereits terminiert. 12 Verhandlungstage sind erstmal angesetzt.«
Joshua knallte die Akte auf den Tisch, bei dieser Aktion fiel die Maus herunter, baumelte zitternd am Kabel. Warum hat er mir das nicht selbst gesagt, wollte er fragen. Jack war zwar Dienststellenleiter, aber das hätte Bornmeier in diesem Fall nicht interessiert.
»Und was ist daran so komisch?«
Joshua fühlte sich provoziert. Er ärgerte sich maßlos über die Ignoranz des Staatsanwaltes.
»Liest du keine Zeitung? In einem Wald bei Duisburg hat man gestern die Leiche des Leiters der Benrather Bücherei gefunden.
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