Willenlos
Messerblock in der Küche das größte Messer gezogen und wollte den Einbrecher stellen. Sie saßen auf dem Sofa, Ulf schob ihre Hand zur Seite. Karin senkte den Kopf.
»Wirklich nicht«, sprach sie leise weiter, »ich … ich bin eine dumme Kuh. Ich habe den Namen ›Dr. Rieger‹ gelesen und war sofort wieder Polizistin. Ich konnte doch nicht ahnen«, sie stockte, »doch, ich hätte dich hartnäckiger fragen sollen. Es war ein riesengroßer Fehler von mir. Haben wir noch eine Chance?«, fragte sie sehr leise in seine Richtung. Ulf schwieg. Es war ein frostiges Schweigen, schlimmer als Worte. Karin wurde es kalt. Nach einer endlos anmutenden Minute beendete Ulf die Stille.
»Welche Chance hat denn eine Beziehung ohne Vertrauen?«
»Wir könnten von vorn beginnen.«
»Wie denn?«
Zwei Worte, die Karins Hoffnung aufkeimen ließen. Es war keine Absage, kein schmerzhaftes Ende, sondern die Suche nach einer Lösung. Die Scherben waren noch sichtbar, die Wunden noch offen, sie musste behutsam vorgehen. Zaghaftes, zögerliches Taktieren war nicht ihre Stärke, Karin beschloss, mit beiden Händen zuzugreifen.
»Wie damals. Du fragst mich, ob ich Hunger habe, wir kochen gemeinsam. Vielleicht hast du einen tollen Versöhnungswein im Keller und dann … mal sehen.«
Ihre Augen strahlten einen Hauch Fröhlichkeit aus. Ulf stand plötzlich auf und ging zum Fenster. Nachdenklich sah er in den Garten. Karin wurde ernst. Wieder diese nervtötende Stille. Sie überlegte, ob es noch Sinn machen würde, als Ulf sich langsam umdrehte.
»Die Polizei sieht
mich
als Tatverdächtigen? Ihr glaubt tatsächlich,
ich
hätte euren Kollegen ermordet und die Tat meinem Freund in die Schuhe geschoben?«
»Nein. Es war ein Alleingang von mir. Ich habe deinen Namen noch nicht einmal in den Berichten erwähnt, obwohl es meine Pflicht gewesen wäre. Bitte, du musst mir glauben. Ich schwöre dir, es ging mir nur um uns, ich hatte solche Angst …«
Ulf bemerkte den glänzenden Schleier vor ihren Pupillen. Er setzte sich neben sie, legte den rechten Arm behutsam um ihre Schulter.
»Ich habe einen Bärenhunger, darf ich Sie einladen?«
Karin fuhr herum, wollte ihn umarmen. Ulf zog im letzten Moment zurück, stand auf.
»Sie sind mir ja eine schöne Polizistin, wir kennen uns doch gar nicht.«
Ulf Gerster verschwand in Richtung Küche, Karin folgte ihm.
»Salat habe ich keinen, aber vielleicht können Sie die Folie von den Tiefkühlpizzen entfernen, ich schiebe sie dann in den Ofen.«
»Ja, ich denke, das schaffe ich.«
Karin beschlich wohltuende Erleichterung.
»Komm her!«
Er zog sie an sich, gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss.
»Übrigens, ich muss übermorgen zum Notar. Renate und ich möchten die finanziellen Dinge gern außergerichtlich klären, ansonsten wäre der Streitwert viel zu hoch, die Anwälte würden uns bei der Scheidung das Fell über die Ohren ziehen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir die Angelegenheit vernünftig über die Bühne bekommen.«
Während Karin den Tisch eindeckte, öffnete Ulf Gerster den Chardonnay. Sie genoss die einkehrende Normalität.
»Unser Notar ist seit 20 Jahren Dr. Rieger aus Düsseldorf, das nur für die Akten.«
Ulf erstickte ihren Ansatz der Empörung mit seinen Lippen. Warum habe ich ihn nicht einfach noch einmal gefragt, ärgerte Karin sich, statt mich wie ein Teenager zu verhalten. Die schlanken Finger der linken Hand näherten sich vorsichtig dem Brustbereich. »Wollen wir nicht erst … essen.«
Wortlos tastete seine rechte Hand hinter sich zum Backofen, schaltete ihn ab. Karins Appetit war untergegangen in seinen Zärtlichkeiten. Ihre rechte Hand grub sich in sein Haar, zog ihn an sich, als die Türklingel ertönte. Karin atmete tief durch.
»Erwartest du Besuch?«
»Nein.«
Verwundert löste er sich aus ihren Armen, ging in den Flur. Karin goss den Wein in die Karaffe.
»Trempe, LKA. Herr Gerster, ich habe ein paar Fragen, darf ich hereinkommen?«
Karin erschrak, sie rannte in den Flur. Entsetzt starrte sie Joshua an. Gerster interpretierte den Blickkontakt falsch, sein Gesicht lief rot an. Karin überkam das Gefühl, der Sauerstoff würde diesen Raum durch die offene Tür verlassen, sie schnappte nach Luft.
»Raus!«, schrie Gerster unvermittelt aus voller Kehle, »raus, alle beide, sofort!«
Seine Stimme vibrierte vor Zorn, Karins Augen wanderten zu seinen Fäusten, die sich fest schlossen und die Knöchel weiß hervortreten ließen.
»Herr Gerster«,
Weitere Kostenlose Bücher