Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willenlos

Willenlos

Titel: Willenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
Vom Netzwerk:
einem verächtlichen Blick.
    »Wo waren Sie am Abend des 23. Juni, zwischen 18 und 20 Uhr?«
    Flander lehnte sich in das weiche Polster des alten Sofas, verschränkte genüsslich die Arme ineinander. Karin fragte sich, ob es Dummheit war, die er hinter dieser Fassade aus Provokation und Arroganz verstecken wollte oder ob es sich um Unsicherheit handelte.
    »Geht dich einen Scheißdreck an.«
    »Herr Flander, mir reicht’s«, Karins Maß an Geduld war aufgebraucht, sie schrie ihn an, »Sie haben ein Tatmotiv und wenn Sie mir nicht antworten, gehe ich davon aus, dass Ihnen auch ein Alibi fehlt. Für diesen Fall nehme ich Sie unter Mordverdacht mit.«
    Flander sprang hoch und trat dicht vor Karin. Daniel zog die Waffe aus dem Schulterhalfter.
    »Ich lass mich doch von einer frustrierten Alten wie dich nicht anmachen. Weißt du, was dir fehlt? Du musst mal wieder richtig rangenommen werden. Kannst du haben.«
    »Ey«, beschwerte sich die Blondine.
    »Schnauze, Schlampe.«
    Mit einem beherzten Griff umklammerte er plötzlich Karins linke Brust und drückte mit aller Kraft zu. Die Polizistin verzog schmerzhaft das Gesicht, rammte ihm fast gleichzeitig ihr rechtes Knie in den Unterleib. Flander schrie auf, krümmte sich vor Schmerzen. Dann ging alles sehr schnell. Daniel trat ein Bein zur Seite, schmiss ihn auf den Bauch, drehte die Arme auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. Sulzer half ihm hoch, setzte ihn zurück aufs Sofa. Anschließend deutete er Karin an, mit ihr reden zu wollen. Sie gingen in den Flur.
    »Dreht ihm keinen Strick daraus. Der Junge ist in Wirklichkeit harmlos. Wäre seine Freundin nicht hier, wäre er ganz umgänglich gewesen.«
    Karin rieb sich die Brust, sie schmerzte höllisch.
    »Beleidigung, tätlicher Angriff auf eine Polizistin, das finden Sie harmlos? Ich glaube, ich spinne. Der kann sich seine Bewährung abschminken!«
    »Sie kennen ihn nicht. Er ist erst seit einer Woche aus dem Krankenhaus, hatte sich von einer Autobahnbrücke gestürzt. Der Junge hatte Riesenglück. Schädeltrümmerbruch und ein paar Prellungen. Seinen Kumpeln hat er erzählt, er wäre von Asylanten überfallen worden. Dieses ganze Gehabe ist nichts weiter als eine Fassade …«
    Karin stieß Sulzer zur Seite und ging wieder zurück. Daniel steckte das Handy weg.
    »Die Kollegen sind unterwegs, ich habe auch gleich die Spurensicherung bestellt.«
    Das Mädchen stand während der letzten Minuten verunsichert im Raum. Nervös nestelte sie an ihrem Shirt. Schließlich stahl sie sich davon. Daniel lief hinterher.
    »Wir benötigten auch Ihre Aussage. Warten Sie!«
     
    Karin hatte keine Lust, mit Flander in einem Auto zurückzufahren. Sie bat die Kollegen der Schutzpolizei, ihn beim LKA abzuliefern.
     
     

35
    Das Foto auf der Titelseite der Zeitung war unscharf. Die grobe Rasterung versteckte die markanten Gesichtszüge wie ein Schleier. Selbstzufrieden leerte er das Glas mit dem billigen Rotwein in einem Zug.
    Zufrieden blätterte er um. Das Phantombild auf Seite drei gefiel ihm noch besser. Es verriet gerade genug Details, um den Verdacht zu erhärten. Bei der Lektüre des Artikels lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Zeile für Zeile steigerte er sich geradezu in Euphorie. Viel zu lange hatte er sich in der Milch abgestrampelt, als dass er dieses Gefühl der Überlegenheit als einen alten Bekannten begrüßen konnte. Nun rückte der Zeitpunkt näher, den Rahm abzuschöpfen. Endlich das bekommen, was mir zusteht, dachte er. Wieder ließ er den Zeigefinger an einer Stelle ausharren, um seine Seele mit der Titelzeile des Artikels zu liebkosen.
    ›Rächt sich irrer Serienmörder an Justitia?‹
    Wie gern hätte er diesen Artikel eingerahmt über sein Bett gehängt. Endlich schien die Polizei begriffen zu haben, worum es geht. Die Jäger haben die Fährte aufgenommen, nun galt es, die Spur in die entscheidende Richtung zu legen. Ein einziger kleiner, aber alles entscheidender Hinweis. Er musste mit größter Vorsicht vorgehen. Ein Fehler würde sein Leben zerstören und das ausgerechnet an einem Punkt, an dem es richtig beginnen sollte.
     
    In der letzten Nacht waren sie wieder da gewesen. Gefräßige Monster in dunklen Farbtönen, die gierig die letzten Reste seines Selbstwertgefühls suchten. Schweißgebadet war er aufgewacht. Die Nacht war beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Er war in die Küche gegangen und hatte den Plan wieder und wieder überprüft. Mehrmals las er die

Weitere Kostenlose Bücher