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Willenlos

Willenlos

Titel: Willenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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er bei Teamsitzungen oft absichtlich eine andere Meinung annahm und diese vehement verteidigte. Nur um die Kollegen zu zwingen, ihre Thesen bis ins kleinste Detail zu überdenken. Aber dieser Glaube schwand wie zuvor die Hoffnung auf Einsicht des Staatsanwaltes. Vor seinem geistigen Auge flatterte bereits die Fahne der Kapitulation, als Hornbachs verzweifeltes Gesicht wie eine brechende Welle an die Oberfläche des Bewusstseins gespült wurde. Die flehenden Augen, der um sein Leben bittende Blick, mit dem er Joshua tief in seinem Innern berührte. Für Schicksale wie dieses war er Polizist geworden. Er konnte nicht anders. Krampfhaft suchte Joshua nach dem einen Weg aus dieser Sackgasse namens Bornmeier. Argumente waren verpufft, neue hatte er nicht. Es gab nur eine Möglichkeit, er musste bluffen. Als er an den Einsatz dachte, wurde ihm heiß. Um den Druck zu erhöhen, stand Joshua vorher auf und tat so, als wolle er gehen.
    »In Ordnung, Herr Bornmeier. Wir werden weiter ermitteln und versuchen, den Täter zu bekommen, bevor er erneut zuschlägt. Bin gespannt, wer schneller ist. Die Namen der möglichen Opfer stehen auf der Liste, Sie brauchen sie für den Fall, dass wir es nicht schaffen, nur noch abzustreichen. Aber eines ist klar: Sollte es weitere Opfer geben, haben Sie das ab jetzt ganz allein zu verantworten. Noch etwas: Richten Sie Ihrem Freund List aus, er muss aufgrund von Sparmaßnahmen noch ein wenig länger in Untersuchungshaft bleiben. Schönen Tag noch, Herr Staatsanwalt.«
    Bornmeier schluckte. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er bemüht war, einen aufkommenden Wutanfall zu unterdrücken. Joshua wandte sich ab und ging zur Tür. Er tat dies ein wenig langsamer als gewöhnlich. Los, halt mich schon auf, dachte Joshua, während er die Türklinke niederdrückte.
    »Warten Sie, Trempe!«
    Joshua atmete kurz durch, bevor er sich umdrehte. Bornmeier presste die Lippen aufeinander.
    »Gibt es keine andere Möglichkeit?«
    »Ja. Der Täter kommt gleich ins Büro und legt ein Geständnis ab. Ich möchte aber nicht darauf hoffen.«
    »In Ordnung …«, Bornmeier öffnete den obersten Knopf seines Hemdes, »falls der Oberstaatsanwalt Sie anruft, begründen Sie es bitte genauso. Mir ist allerdings schleierhaft, woher wir das nötige Personal bekommen sollen.«
    »Da fällt mir schon was ein.«
    »Das befürchte ich.«
     
     

34
    Das Café, in dem sie sich verabredet hatten, entpuppte sich als kleines Hinterzimmer einer Bäckerei. Billige Küchenstühle mit verchromten Metallrahmen und kleine Tische, deren Furnier stellenweise abgeblättert war, erinnerten an eine Wohnküche aus den späten 70er-Jahren. Rolf Sulzer saß abseits in der hintersten Ecke des Raumes. Er nahm das Erkennungszeichen, eine Baseballkappe mit eingesticktem Kleeblatt, ab. Karin musste schmunzeln. Zwischen einem Pärchen, das sich bereits im Spätherbst seines Lebens befand, und einer jungen Frau in Postuniform wäre er auch ohne den Fanartikel des Oberhausener Fußballklubs aufgefallen. Nach kurzem Smalltalk kam Karin zur Sache.
    »Seit wann ist Flander draußen?«
    »Seit Juni letzten Jahres, ich glaube, es war der 2. Juni. Er musste die Haftstrafe bis zum letzten Tag abbrummen.«
    »Schlechte Führung?«, wollte Daniel wissen.
    »Auch. Flander ist ein Hitzkopf. Er hatte die vorzeitige Haftentlassung nie beantragt, hätte wohl auch keinen Sinn gehabt. Dazu fehlte ein entscheidendes Kriterium: die Reue. Flander behauptet nach wie vor, zum Wohle des deutschen Volkes gehandelt zu haben.«
    »Wie bitte?«
    Karin glaubte, sich verhört zu haben. Die stark übergewichtige Bäckersfrau servierte in einem leicht gräulichen Kittel den Kaffee. Ihr Gang erinnerte entfernt an eine Ente.
    »Roland Flander ist überzeugter Neonazi, behauptet er selbst. Ich sehe das anders. Der Junge hat von Politik soviel Ahnung wie eine Kuh von Algebra. Seinen Vater kannte er nur als arbeitslosen Säufer. Er ist gestorben, als Flander 13 Jahre alt war. Seine Mutter ist nicht mit ihm fertig geworden. In der Schule ist er nur verhöhnt worden. Da traten Atze Gombeck und seine rechtsradikalen Mitläufer auf den Plan. Die haben sich auf Schulhöfen zielgenau solche Typen rausgefischt und ihnen solange ihre Hasstiraden untergeschoben, bis diese daran geglaubt haben. Viel wichtiger aber, Flander war von da an akzeptiertes Mitglied einer Gemeinschaft, hatte zum ersten Mal Freunde.«
    »14 Jahre sind eine lange Zeit«, merkte Daniel an, »da muss die Glut

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