Willenlos
Sie noch eine?«
»Ja.«
Bartram verstand.
»Ich habe sie geliebt, lange bevor Leon sie mir wegnahm. Leon hat immer alles bekommen, was er wollte, auch Lydia.«
»Dennoch hatten Sie weiterhin ein Verhältnis mit Ihrer Schwägerin?«
»Das war viel später, als sie ihn durchschaute. Leon lebte nur für die Klinik, er beachtete Lydia kaum noch.«
»Da hat Sie sich Ihnen zugewandt. Leon zur Absicherung und Sie fürs Herz, aber das reichte Ihnen irgendwann nicht mehr.«
Bartram nickte. Umständlich wischte er sich den Mund ab.
»Ich habe Sie gefragt, ob sie sich scheiden lässt, mit mir von vorn anfängt. Sie hat mich verspottet, ausgelacht, beleidigt.«
»Da haben Sie beschlossen, Lydia umzubringen.«
»Nein. Häme bin ich gewohnt, ich kenne nichts anderes. Sie wollte Leon alles sagen. Das wäre das Ende gewesen. Mein Stiefvater hätte mich enterbt, aus der Klinik geschmissen, was hätte ich denn machen sollen?«
Joshua konnte ihn nicht begreifen. Warum hatte er nicht versucht, sich von dieser Familie zu lösen? Einem promovierten Mediziner wie ihm musste es möglich gewesen sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Der Verdacht bestätigte sich: Leon Bartram hatte all die Jahre anstelle seines Bruders im Gefängnis verbracht. Noch etwas war nun bestätigt: Klaus Dahlmann hatte sich tatsächlich korrumpieren lassen, dazu beigetragen, zwei Menschenleben zu zerstören. Ihm war es dabei nur um das Geld gegangen. Aber das war nur der Anfang, Joshua ging es um viel mehr.
»Ihr Bruder weiß es, er will sich an Ihnen rächen. Was hat er gegen Sie in der Hand, warum haben Sie ihn nicht getötet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Deshalb haben Sie beschlossen, diejenigen zu töten, denen Ihr Bruder Rache schwor. In der Hoffnung, er würde dafür verantwortlich gemacht, für immer eingesperrt.«
Bartram begann am ganzen Körper zu zittern, sein Gesicht verfärbte sich dunkel.
»Was?
Er
muss dafür büßen … nicht ich … er muss … ins Gefängnis … für immer …«, Bartram röchelte. Die Tür wurde aufgerissen, Dr. Heinrich stürzte auf Bartramzu. Jack kam hinterher, zog Joshua aus dem Raum.
»Bist du jetzt zufrieden?«, zischte Karin. Joshua schüttelte verständnislos den Kopf.
»Ich bin erst zufrieden, wenn er das Geständnis unterschrieben hat.«
Zehn Minuten später waren sie im Büro. Joshua schaltete den Rechner aus, zog die Lederjacke über. Nachdem Dr. Heinrich Bartram eine Beruhigungsspritze gegeben hatte, war es ihm wieder besser gegangen, er durfte in die Zelle mit der Auflage, ihn stündlich zu beobachten. Karin hatte sich nach dieser Nachricht weitestgehend beruhigt.
»Vielleicht solltest
du
morgen weitermachen«, murmelte Joshua Richtung Karin.
»Du bist zu weit gegangen.«
Es war eine sachliche Feststellung, mit ruhigem Ton vorgetragen. Joshua dachte darüber nach.
»Ich hatte die ganze Zeit über Hornbach vor Augen. Karin, Ulrich Bartram ist höchstwahrscheinlich ein vierfacher Mörder, sollte ich den lieb um ein Geständnis bitten?«
»Vielleicht hast du recht. Jedenfalls, wenn er morgen das Geständnis unterschreibt.«
55
Joshua hatte die Nacht über kaum geschlafen. Immer gleiche Bilder dominierten sein Bewusstsein. Ulrich Bartram sagte ihm grinsend, dass er kein Geständnis unterschreiben werde. Im nächsten Albtraum war der Staatsanwalt erschienen, hatte ihm mit Suspendierung gedroht, falls Florenz List nicht unverzüglich freikommen sollte. Zwischendurch, als Pausenfilm, tauchte regelmäßig das verzweifelt anmutende Gesicht Hornbachs auf. Um halb fünf hallte Jaggers lautes Bellen durchs Haus. Er war vermutlich der einzige Hund, der beim Klingeln des Telefons anschlug. Sie konnten es ihm nicht abgewöhnen. Übermüdet lief Joshua die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Es handelte sich um Peter Granduleit vom Untersuchungsgefängnis. Die ernste Stimme ließ Joshua hellwach werden.
»Ulrich Bartram ist tot. Wir haben ihn vor fünf Minuten beim Routinedurchgang gefunden.«
Joshua fiel auf den Stuhl neben sich.
»Wie konnte das passieren?«, waren die ersten Worte, die er nach einem Augenblick der Stille hervorbrachte. Es war ihm unerklärlich. Untersuchungshäftlinge undBartram besonders wurden vor jedem Einschließen gründlich untersucht. Gürtel, Schnürsenkel, scharfe Gegenstände waren tabu.
»Er hatte Hemd und Hose zu einem Strick gebunden und sich an den Gitterstäben aufgehängt. Wir konnten nichts mehr unternehmen. Es tut mir leid.«
Joshua
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