Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
schaltete das Telefon ein und hielt es ihm hin, damit er das leere Display sehen konnte. »Akku«, sagte sie.
»Ladegerät?« fragte er.
»Aber kein Adapter.«
Er sprang auf, von neuer Energie beflügelt und wie neugeboren.
» Ich habe einen Adapter!«
»In Ihrem Koffer?« fragte sie.
Er ließ sich zurück auf die Liege sinken und schaute wieder eine Zeitlang auf seine Schuhe. Dann hob er noch einmal den Kopf. »Der Buggy kommt zum Gästehaus«, sagte er. Er war zu einem anderen Menschen geworden, ruhig und gelassen, wie jemand, der sich von einem Fieber erholt hatte. Er blickte zum Haus. »Das ist nicht das Gästehaus«, sagte er. »Es hat nichts mit der Stiftung zu tun. Es gehört jemand … Wem – Ihnen?«
Sie nickte. Er ließ den Kopf sinken. »Ich entschuldige mich für das Missverständnis.«
Er war ein normaler Mensch geworden. Allerdings ein unnormal ruhiger. Sie wusste, an welchen besonderen Fehltritt er jetzt dachte, den anzusprechen er jedoch zu verlegen war: Wie er nicht nur von ihrem Haus, sondern auch von ihrem Bett Besitz ergriffen hatte, und wie nahe daran er gewesen war, auch von ihr Besitz zu ergreifen. Nun ja, alle machten mal Fehler. Auch sie hatte einen kleinen Fehler gemacht. Sie beschloss, ihm zu vergeben und ihn von seinem Elend zu erlösen.
»Ich warte auf meinen Freund«, sagte sie. »Er sitzt wahrscheinlich gerade in einem Taxi. Sie können das Taxi dann haben.«
»Danke«, sagte er demütig. »Ich wäre Ihnen zutiefst dankbar. Darf ich hier warten? Da draußen ist es sehr heiß.«
Sie nahm den breitkrempigen geblümten Sonnenhut, der neben ihrer Liege lag, und warf ihn ihm zu. »Sie sind schon ganz rosa«, sagte sie.
Er betrachtete den Hut und setzte ihn widerstrebend auf. Sie lachte. Er nahm ihn ab.
»Na los«, sagte sie. »Sie werden noch viel alberner aussehen, wenn Sie dastehen und Ihren Vortrag halten und knallrot sind.«
Er setzte ihn wieder auf, und sie warf ihm die Tube mit der Sonnencreme zu. Er cremte sich gehorsam ein, und sie warteten weiter.
»Wann erwarten Sie Ihren Freund?« fragte er.
»Gestern«, sagte sie.
24
Mrs. Fred Toppler und Dr. Wilfred verstanden sich auf Anhieb blendend. Sie tranken Champagnercocktails in der Loggia hoch oben in einer Ecke von Demokrit, wo noch die leichteste Brise vom Meer hingelangte. Seine nächtlicher Ausflug in ihr Bett auf der Suche nach einer Drahtzange schien vergessen.
»Es ist so belebend«, sagte sie, »jemand hier zu haben, der nicht nur so berühmt, sondern auch so jung ist! Manchmal betrübt es mich einfach ein bisschen, dass die Menschen, die unsere Leidenschaft für die Beförderung zivilisierter Werte teilen, fast alle im Rentenalter sind. Ich selbst fühle mich noch so jung! Das hatten der verstorbene Mr. Fred Toppler und ich gemeinsam. Er war einundachtzig, als wir uns kennenlernten. ›Baby‹, hat er gesagt – er hat mich immer Baby genannt –, ›mit dir fühle ich mich wieder jung.‹ Ich war Tänzerin. Eine seriöse Tänzerin. Nichts Billiges. Ich hatte einen wunderschönen Körper und habe mich gern damit ausgedrückt. Ich bin in einer Show in Las Vegas aufgetreten. Und danach kommt das Mädchen in meine Garderobe und sagt: ›Miss LeStarr‹ – ich war Bahama LeStarr, mein Name stand auf den Plakaten –, ›da ist ein Herr, der Sie gern sprechen würde, und er trägt einen weißen Smoking!‹ Ein weißer Smoking, können Sie sich das vorstellen! Wie in einem alten Film!
Er führt mich zum Essen aus. Champagner, Kaviar, das ganze Brimborium. Er war ein Gentleman. Das war vor zwanzig Jahren. Damals gab es noch richtige Gentlemen. ›Baby‹, sagt er, ›bei dir habe ich das Gefühl, als ob ich noch ein Junge wäre. Willst du mich heiraten?‹
Ich sage: ›Mr. Toppler, das ist so süß von Ihnen, ich bin ganz gerührt, aber ich habe meinen Beruf.‹
Und er sagt: ›Arbeite ruhig weiter, Baby, denn ich liebe es, dir beim Tanzen zuzuschauen.‹
Okay, ich bin auf Tournee, ich habe einen Vertrag. Palm Springs, Houston, Honolulu. Und, Dr. Wilfred, Mr. Toppler reist mir nach. Überallhin! Zehn Städte in zehn Wochen. Mit einundachtzig! Er lässt nicht locker!
Ich sage: ›Okay, Liebling, du hast gewonnen.‹ Wir fliegen nach L.A., denn ich bin seine vierte Frau, und in L.A. lässt er sich immer scheiden. Süß! Wir heiraten in New Orleans – es ist Karneval –, wir tanzen auf der Straße! Dann sofort zurück nach Lake Tahoe, wo die nächste Tournee anfängt. Und während der nächsten sechs Wochen
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