Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
…
»Fred-Toppler-Stiftung«, sagte die mittlerweile deprimierend vertraute Stimme.
»Ich bin’s«, unterbrach er sie, bevor sie ihren Spruch beenden konnte oder er selbst dem Wahnsinn oder dem Zusammenbruch noch näher rückte.
»Dr. Wilfred?« sagte die Stimme. »Alles okay endlich? Sie haben Frühstück? Sie wissen, wo Sie sind?«
»Nein«, sagte er. »Ich hatte kein Frühstück. Ich weiß nicht , wo ich bin.«
»Nein?« sagte Mit-wem-draf. »Ihre Stimme ist irgendwie komisch. Sie sagen, Sie wissen nicht , wo Sie sind?«
»Ja.«
»Was – immer noch nicht?«
»Nein.«
Es folgte eine Pause. Ich bin Dr. Norman Wilfred, dachte er. Ich bin der Ehrengast. Das alles kann nicht wahr sein.
»Okay«, sagte Mit-wem-draf. »Gehen Sie zurück in Gästehaus. Setzen Sie sich. Bewegen Sie sich nicht. Ich schicke Buggy nach Ihnen.«
22
Nikki hatte im Lauf des Vormittags keine Zeit, öfter als zwanzigmal an Dr. Wilfred zu denken. Sie hastete zwischen Hafen und Helipad, zwischen Helipad und Flughafen hin und her. Es gab die üblichen Schwierigkeiten in letzter Minute – eine tote Katze im Joghurteimer in der Küche, der Lastwagen mit der Licht- und Tonanlage steckte auf dem Weg vom Hafen in einer Haarnadelkurve fest – und die üblichen Absagen und Änderungen in letzter Minute. Seine Exzellenz Scheich Abdul hilal bin-Taimour bin-Hamud bin-Ali al-Said hatte beschlossen, zwei Ehefrauen mehr als ursprünglich angekündigt mitzubringen. Der Bischof des Hesperiden-Archipels und von Teilen von Kronikae und Topikos drohte mit Abreise, sollte er am selben Tisch plaziert werden wie der Präsident des panhellenischen Rationalistenvereins. Es fiel nicht allzuschwer ins Gewicht, dass sich der Justizminister wegen einer Massenflucht von Häftlingen in Patras absetzte, doch es würde ins Gewicht fallen, wenn auch noch der Gouverneur und der Polizeichef der Hesperidenperipherie meinten absagen zu müssen, denn Mr. Papadopoulou schätzte das billigende Siegel, das ihre Anwesenheit dem Ereignis verlieh, und die Gewissheit, alle Missverständnisse oder jeden Übereifer seitens der örtlichen Polizeikräfte verhindern zu können.
Dennoch blieben Nikki und ihr blassgoldenes Haar so ruhig und gefasst wie immer, ihre Miene war wie stets der Welt gegenüber freundlich aufgeschlossen. In ihrer derzeitigen Stimmung konnte sie müheloser als je zuvor mit allen nur denkbaren Problemen fertig werden.
Als sie zum Alkmeon-Weg kam, um Dr. Wilfred zu seinem Mittagstermin abzuholen, sah sie nur einen Kreis von Rücken, zwei, drei Reihen hintereinander, die sich in absolutem Schweigen vorneigten. Einer der Rücken, das bemerkte sie sofort, wurde von dem blonden Mop gekrönt, nach dem sie suchte, und dahinter waren seine Hände – so zart und sanft –, die etwas hochhielten … Eine Kaffeekanne … Ganz, ganz langsam senkten sie sie herab, bis sie auf etwas anderem stand. Was eine Zuckerdose zu sein schien. Eine Zuckerdose, die einen halben Meter über dem Tisch in der Luft schwebte. Als sie sich weiter über die vorgeneigten Rücken reckte, sah sie aber, dass die Zuckerdose von etwas getragen wurde. Kaffeetassen? Ja – vier Stück, die einen Sockel bildeten. Und darunter vier weitere Kaffeetassen. Und unter diesen noch einmal vier. Und darunter …
Doch Dr. Wilfreds Hände lösten sich bereits vorsichtig von der Kaffeekanne. Sein Rücken richtete sich auf. Und mit einem leisen kollektiven Seufzer alle anderen Rücken um ihn herum.
Nikki brachte es nicht über sich, das Schweigen um den schwankenden Turm aus Porzellan zu brechen. Zudem hielt Mrs. Morton Rinkleman bereits eine kleine Rede.
»Das ist so inspirierend«, sagte sie, »wenn sich jemand mit Wissenschaft wirklich auskennt – und sie auf eine Weise erklären kann, die wir alle verstehen! Keine Zahlen, keine Gleichungen, keine komischen Sachen mit extra Dimensionen oder mit der Zeit, die zurückgeht! Nur ein paar Kaffeetassen, eine Kaffeekanne und eine Zuckerdose!«
Es folgten zustimmendes Gemurmel und verhaltenes Klatschen.
»Aber ich begreife immer noch nicht«, sagte die hartnäckige Brille von zuvor, »was das alles mit Wexlers Gleichung oder Theobalds Konstante zu tun hat.«
»Nein«, sagte Dr. Wilfred, »weil wir noch nicht fertig sind. Und für den nächsten Teil der Erklärung brauchen wir Ihre Hilfe. Hier – nehmen Sie diese Ecke des Tischtuchs.«
»Warten Sie«, sagte Professor Ditmuss.
»Nein, nicht warten! Niemals warten! Einfach tun! Das ist die erste Regel, um
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