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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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mit überzeugender Wirkung ins Spiel gebracht. Aber Professor Ditmuss kannte sich wahrscheinlich damit aus. Besser wäre vielleicht Kolibris Konjunktion, von der der Professor sicherlich nichts wusste, da Dr. Wilfred sie gerade in dieser Sekunde erst entdeckt hatte. Er vermutete jedoch, dass Professor Ditmuss ehrlich genug wäre, seine Unkenntnis einzugestehen, und Dr. Wilfred bitten würde, sie zu erklären. Er musste tiefer in die Schatzkiste seiner intellektuellen Ressourcen greifen.
    Da er so lange schwieg, merkten alle, dass etwas im Busch war. Köpfe wandten sich ihm neugierig zu. Sogar Wilson Westerman dachte nicht mehr an seine Investitionen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Professor Ditmuss. »Ich will das Gespräch nicht aufhalten.«
    »Überhaupt nicht«, sagte Dr. Wilfred. »Ich denke darüber nach, wie ich es auf eine nichttechnische Art erklären kann, so dass alle es verstehen. Ich eingeschlossen.«
    Alle lachten. Außer Professor Ditmuss.
    Dr. Wilfred schaute sich um. Irgend etwas würde ihm einfallen. Irgend etwas fiel ihm immer ein …
    Alle warteten, auch Professor Ditmuss.
    Dr. Wilfreds Blick fiel auf die leeren Kaffeetassen auf dem Tisch. Ja. Gut. Leere Kaffeetassen waren definitiv irgend etwas. Und irgend etwas war besser als nichts.
    Er nahm eine Tasse und hielt sie hoch. »Eine leere Kaffeetasse«, sagte er. »Alles klar? Keine Probleme bislang?«
    Alle schauten respektvoll auf die Tasse und schüttelten den Kopf. Nein, keine Probleme bislang. Außer für Dr. Wilfred, dessen Problem war, was er als nächstes tun sollte.
    »Jetzt«, sagte er. Er strich das Tischtuch sorgfältig glatt und stellte die Tasse in die Mitte. Es folgte ein leises Knarzen, als sich alle auf ihren Korbstühlen vorneigten. »Jetzt …«
    »Einen Augenblick«, sagte Suki Brox. »Entschuldigen Sie, wenn ich störe …«
    »Sie stören überhaupt nicht«, sagte Dr. Wilfred. »Wir haben alle Zeit der Welt.«
    »Eine ganz dumme Frage«, sagte Suki Brox. »Aber etwas verstehe ich nicht. Was repräsentiert die Kaffeetasse? Ist das eine sehr dumme Frage?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Dr. Wilfred. »Es ist eine sehr gute Frage. Diese leere Kaffeetasse repräsentiert … eine leere Kaffeetasse. Alles klar?«
    »Alles klar«, sagte Suki Brox.
    Ihr war alles klar. Dr. Wilfred jedoch nicht. Denn jetzt was? Er schaute sich um. Es war nichts weiter verfügbar als noch mehr leere Kaffeetassen. Er nahm eine zweite Tasse und stellte sie akkurat neben die erste.
    »Noch eine leere Kaffeetasse«, sagte er. »Was repräsentiert diese? Sie repräsentiert noch eine leere Kaffeetasse. Jetzt haben wir also zwei leere Kaffeetassen, nebeneinander. Ja?«
    Sie nickten und blickten auf die beiden unergründlichen weißen Zylinder auf der Mitte des Tischtuchs. Sie blickten ihn an, dann wieder auf die Zylinder und warteten, dass sie ihre verborgene Bedeutung preisgaben. Er blickte ebenfalls darauf und wartete.
    Und während er schaute, begann sich die erste blasse Ahnung einer Bedeutung herauszuschälen.
    »Ja«, sagte er. »So. Jetzt nehme ich eine dritte leere Kaffeetasse …«
    Dort vor Dr. Wilfred war das Meer, gewiss, genau wie Mit-wem-draf-ich-Sie-verbinden gesagt hatte. Es schien jedoch mindestens eineinhalb Kilometer entfernt und ungefähr dreihundert Meter unterhalb von ihm zu sein. Jeden Gedanken an Frühstück hatte er längst aufgegeben; inzwischen erschien ihm unwahrscheinlich, dass er es rechtzeitig zum Mittagessen schaffen würde. Allerdings war ihm bewusst, dass in der gleißenden Mittagshitze seine Einschätzung von Entfernungen von Panik beeinträchtigt und nicht verlässlich war.
    Er setzte sich auf den Boden in einen kleinen Schattenfleck, den eine verkrüppelte Schirmkiefer warf, und nahm sein Telefon heraus. Während er darauf wartete, dass sein Anruf nach England flog, dann die ganze Strecke wieder zurück zu einer Stelle, die er im blendenden Licht nicht sehen konnte, dachte er an einen Tisch im Schatten, mit einem pastellfarbenen Tischtuch darauf und einem glänzenden Gedeck. Die zuckrigen Croissants und der krosse Speck, die er sich früher vorgestellt hatte, machten jetzt Brot und Oliven Platz, schimmerndem rosa Taramasalat und eiskalten Krabben. Er dachte auch, dass er weder Hut noch Sonnencreme hatte, und erinnerte sich an die freundliche Offerte, die unbeantwortet in der Luft hing. Einen Augenblick lang kam ihm auch der sonnengebräunte Rücken in den Sinn, in dem sich Schulterblätter und Rückgrat geschmeidig bewegten

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