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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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so glücklich. Wir reden, reden, reden am Telefon, aber nie sehe ich Sie! Wo waren Sie? Wieder verlaufen? Von Ziegen gefressen? Nikki wird verrückt! Ich rufe sie an.« Sie wählte, während sie sprach. »Sie haben noch Zeit, sich umzuziehen! Sie wissen, wo Ihr Zimmer ist? Nein, Sie wissen nicht. Sie werden wieder verlaufen. Sie werden mich anrufen – ›Wo bin ich?‹
    Warten Sie – ich hole Buggy … Nikki! Er ist da!«

38
    »Dr. Wilfred!« rief Mrs. Comax. Oliver versuchte, unbemerkt am Tempel der Athene vorbeizuschleichen, da er nicht mehr Dr. Wilfred war, sondern nur noch Oliver Fox, der seinen Pass holen und verschwinden wollte. Doch just in diesem Augenblick begannen die Leute den Tempel zu verlassen und zum Abendessen zur Agora zu gehen, und jetzt, da Mrs. Comax ihn entdeckt hatte, war er gefangen und umzingelt.
    »Oh, Dr. Wilfred!« Von allen Seiten rückte ihm der Name zu Leibe. »Wir haben Sie alle gesucht, Dr. Wilfred! Wir haben geglaubt, dass Sie an uns Einfaltspinseln verzweifelt sind und uns verlassen haben, Dr. Wilfred!«
    Oliver überlegte, ob er jetzt, da das Spiel vorbei war, die Wahrheit gestehen sollte, aber niemand hatte ihm geglaubt, als er es zuvor versucht hatte, und es schien die Mühe kaum zu lohnen, es noch einmal zu versuchen und einen sozialen Aufruhr zu verursachen, da er aus ihrem Leben verschwinden würde, sobald er seinen Pass geholt hätte. Und da jeden Moment bestimmt der echte Dr. Wilfred auftauchen und den Job für ihn erledigen würde.
    Ein junger Mann verließ Parmenides, als Dr. Wilfred sich dem Haus näherte. Er trug eine dreiviertel lange orangefarbene Skaterhose und ein pflaumenfarbenes T-Shirt, das sich unterwürfig über seinem Bauch spannte, während Dr. Wilfred an ihm vorbeiging. Doch Dr. Wilfred vergaß ihn vollständig, als er die Tür des Gästehauses öffnete. Ein anderer Gast hatte es offensichtlich besetzt. Überall war Kleidung verstreut – Hemden, Hosen, Unterwäsche. Auf der Gepäckablage befanden sich ein offener Koffer, aus dem so üppig weitere Kleidung quoll wie Früchte aus einem Füllhorn, dass Dr. Wilfred eine Weile brauchte, um den Adressanhänger aus rotem Leder zu bemerken.
    Einen Moment stand er reglos da, dann legte er Pass und Vortrag bedächtig auf den Schreibtisch und öffnete den Adressanhänger. »Dr. Norman Wilfred«, las er. Der Name lächelte ihn an wie ein Spiegelbild. Es war sein Koffer. Er nahm ein paar verstreute Hemden und Unterhosen in die Hand. Die Muster auf den Hemden waren alte Freunde. Es waren seine Hemden. Die Unterhosen waren aus reiner Seide. Es waren seine Unterhosen. Er und sein verlorenes Gepäck waren wiedervereint. Nicht ein anderer Gast hatte das Zimmer besetzt. Er selbst war es.
    Vermutlich hatte die Fluggesellschaft irgendwie die Adresse herausgefunden und den Koffer abgeliefert. Aber warum stand er offen? Warum war sein Inhalt herausgenommen und verstreut worden? Jemand musste ihn geöffnet haben. Er betrachtete das Vorhängeschloss. Ja, es war aufgebrochen. Der unappetitliche junge Mann, der gegangen war, als er gekommen war … Er war im Begriff gewesen, das Zimmer zu plündern, als er den Buggy gehört hatte …
    Egal. Wichtig war, dass er saubere Kleidung hatte, die er anziehen konnte. Seine Vortragshose. Ja, zerknittert, aber immer noch mit Bügelfalte. Eine saubere, weiche seidene Unterhose. Er rieb sie zwischen Daumen und Zeigefinger und roch den sauberen Duft. Er drückte sie liebevoll an die Wange, um ihre Weichheit zu spüren. Sie verfing sich an den unrasierten Barthaaren seiner Wange. Ja – als erstes eine Rasur.
    Wo aber war sein Rasierapparat? Und seine Zahnbürste und die restlichen Sachen aus seinem Kulturbeutel? Wo war der Kulturbeutel?
    Er stieß die Tür zum Bad auf. Und da war alles, verstreut um das Waschbecken. Auf dem Rasierpinsel befand sich eine Kochmütze aus Schaum. Jemand hatte sein Rasierzeug benutzt! An der Zahnpastatube fehlte der Verschluss. Dieser Jemand hatte sogar seine Zahnbürste benutzt!
    Der junge Mann mit dem unterwürfigen Bauch. Er hatte Dr. Wilfreds Sachen nicht gestohlen – er hatte sie benutzt. Er hatte in dem Zimmer gewohnt !
    Dr. Wilfred berührte den Schaum auf dem Rasierpinsel. Er war getrocknet. Die Zahnpasta, die aus der offenen Tube quoll, war steinhart. Der junge Mann war den ganzen Tag hiergewesen. Er schaute auf das Bett. Der Mann hatte hier geschlafen. Er musste am Abend zuvor angekommen sein. Ja, er musste in demselben Flugzeug wie Dr. Wilfred gewesen

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