Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
»Unseren Redner? Er hat nicht zufällig angerufen?«
»O mein Gott!« sagte Elli. »Er ist nicht da?«
»Ich kann ihn nicht finden.«
»Aber es ist fast soweit.«
»Ich weiß.«
»Er hat sich wieder verlaufen! Dieses große Gehirn, und er findet Weg vom Gästehaus zum Frühstück nicht! Er ruft mich an. ›Ich sehe nur Ziegen‹, sagt er.«
»Wenn er wieder anruft, oder wenn du ihn siehst …«
»Ich dich rufe sofort an, Nikki. O mein Gott!«
Ja, o mein Gott, dachte Elli, als Nikki sich rasch wieder entfernte. Sie verliert den großen Mann ausgerechnet kurz vor seinem Vortrag – sie wird nie Direktorin werden. Und was wird aus mir? Ich werde nie Mrs. Fred Topplers PA werden und bis an mein Lebensende in diesem Glaskasten sitzen!
»Dreiundsechzig Euro«, sagte Stavros. »Ich nehme Kreditkarte. Kein Problem.«
Hier gab es keine pausenlos auf- und zugehenden Glastüren, nur eine gestreifte Schranke und uniformierte Sicherheitsleute. Keine Fettleibigkeit, keine Sonnenbrände, nur schlanke und vornehm aussehende Gäste, die goldgerandete Einladungen mit erhabenem Kursivdruck präsentierten. Dr. Wilfred war endlich an seinem Ziel angelangt.
»Einladung«, sagte der Wachmann.
»Ich bin der Redner«, sagte Dr. Wilfred. »Der Ehrengast.«
»Keine Einladung?« sagte der Wachmann. »Kein Eintritt.«
»Neunundsechzig Euro«, sagte Spiros. »Ich nehme Visa und Mastercard. Kein Problem.«
»Warten Sie«, sagte Oliver. »Ich bin gleich wieder da. Ich hole nur meinen Pass.«
»Einladung«, sagte der Wachmann.
»Sie sind Giorgios, stimmt’s?« sagte Oliver. »Sie kennen mich doch. Ich bin Nikkis Gast, erinnern Sie sich?«
»Kein Gast kommt rein«, sagte Giorgios, »nur wenn hat Einladung.«
Der erste Wachmann blätterte misstrauisch in Dr. Wilfreds Pass und anschließend in seinem Vortragstext.
»Ich habe keine Einladung für den Vortrag«, sagte Dr. Wilfred, »weil ich der Redner bin. Ich werde den Vortrag halten, für den die Einladungen verschickt wurden. Das ist der Vortrag, den ich halten werde.«
Er war wieder einmal selbst überrascht, wieviel Geduld und Höflichkeit er an den Tag zu legen vermochte. Der Wachmann kehrte zum Anfang des Vortrags zurück und blätterte dann langsam wieder alle Seiten um.
»Ich weiß, da steht, ich bin in Kuala Lumpur«, sagte Dr. Wilfred. »Oder Westaustralien. Aber das ist durchgestrichen. Ich bin hier, auf Skios. Das werde ich reinschreiben, bevor ich anfange.«
Ihm fiel auf, dass von einem anderen Wachmann noch jemandem der Zutritt verweigert wurde. Ebenfalls keine Einladung, und in seinem Fall auch kein Pass oder Vortrag, die er statt dessen anbieten konnte.
»Kommen Sie«, sagte der Wachmann. Er hatte noch immer Dr. Wilfreds Pass und Vortrag in der Hand und führte ihn zu einer Art Pförtnerloge oder Torhäuschen. Dr. Wilfred ging dicht neben ihm und ließ seinen Vortrag keine Sekunde aus den Augen.
»Es tut mir schrecklich leid, Dr. Wilfred!« rief eine bekannte Stimme aus der Dunkelheit Oliver zu. »Wir werden Ihren Vortrag versäumen!«
Mr. und Mrs. Chuck Friendly, das zweitreichste Paar im Staat Rhode Island, verließen mit zwei Begleitern durch das Fußgängertor neben der Schranke das Gelände der Stiftung.
»Wir hatten uns so darauf gefreut!« sagte Mrs. Friendly.
»Ich muss in die Staaten zurück«, sagte Chuck.
»Eine unerwartete Aufforderung!« sagte Mrs. Friendly. »Aus heiterem blauen Himmel!«
»Warum sind Sie nicht dadrin und trinken Champagner wie alle anderen, Dr. Wilfred?«
»Keine Einladung«, sagte Oliver. »Sie lassen mich nicht rein!«
Mr. und Mrs. Friendly lachten. »Das ist ein guter Witz!« sagte Mr. Friendly. Er nahm etwas aus seiner Brieftasche. »Hier ist seine Einladung«, sagte er zu Giorgios und steckte etwas in Giorgios’ Hemdtasche.
Giorgios zuckte die Achseln und winkte Oliver hinein.
»Hoffentlich sehen wir uns wieder!« sagte Chuck Friendly zu Oliver. »Ich habe ein paar Ideen, wie man aus nichts etwas erschafft, die auf bemerkenswerte Weise mit Ihren übereinstimmen, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir sie gemeinsam angehen könnten!«
Er hob den Arm, um zum Abschied zu winken, und Oliver sah die Handschellen aufblitzen, die ihn an einen seiner Begleiter fesselten.
Die junge Frau hinter der Scheibe in dem Häuschen beendete den Anruf, den sie gerade getätigt hatte, und betrachtete den Pass und den Vortrag, den der Wachmann ihr hinhielt.
»Dr. Wilfred!« sagte sie. »Sie sind’s! Sie sind da! Hallo! Ich bin
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