Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
sondern auch der Zivilisation war, der sich wiederum die Stiftung widmete, sah er beträchtliche ironische Möglichkeiten in dem Sujet. Angetan mit ihrem Helm und ihrem Chiton (was immer ein Chiton war – er konnte es später recherchieren), den Schild in der Hand und begleitet von ihrer traditionellen Entourage von Schlangen, würde sie hinter dem Bauzaun hervorkommen und am Leben der Stiftung teilnehmen. Sie könnte ein Seminar über griechische Mythologie besuchen. Den Chiton ausziehen und sich in die Sonne legen. Chris’ Creative-Writing-Kurs besuchen und ihm ein kleines Epos oder eine Tragödie vorlesen, die sie geschrieben hatte.
Das war die Idee, doch die Worte, um sie auszudrücken, hatte er noch nicht gefunden. Es fiel ihm schwer, sich hier zu konzentrieren, weil die meiste Zeit nichts los war. Und dann auf einmal, nachdem man sich daran gewöhnt hatte, war doch etwas los. Ein Vogel flog am Fenster vorbei. Ein weiterer Laster tauchte hinter dem Bauzaun auf. Die Sonne sank demonstrativ am Horizont. Und jetzt, auf dem Weg direkt unter ihm, hastete Nikki vorbei, in einer frischen weißen Bluse, Klemmbrett in der Hand, von einer mysteriösen wichtigen Sache zur nächsten. Ihr Anblick erinnerte ihn an etwas. Am stärksten erinnerte sie ihn selbstverständlich an sie selbst, was ihn am meisten verwirrte. Oder vielleicht an Athene in ihrem frischen weißen Chiton, Schild in der Hand. Aber noch an etwas anderes. Etwas, was sie gesagt hatte.
Ein Vortrag? Jemand hielt einen Vortrag? Jemand stellte eine Frage …?
Im Tempel der Athene waren die zwei Kellner am Buffet gerade damit fertig, hundert Flöten mit Champagner zu füllen. Das Streichquartett griff zu den Bögen. Der Oberkellner führte Mrs. Toppler und Mr. Papadopoulou zu ihren Plätzen gegenüber dem Eingang. Mrs. Toppler schaute ein letztes Mal in ihre Tasche, um sich zu vergewissern, dass sie die Texte für die Einführung und die Danksagung dabeihatte.
Sie schloss die Tasche und nickte dem Oberkellner zu. Der Oberkellner nickte zwei Unterkellnern zu, die schwere Tabletts mit vollen Gläsern anhoben und Position rechts und links vom Eingang bezogen. Die erste Geige nickte ihren Kollegen zu.
Ein winziges aufsteigendes Bläschen nach dem anderen, ein heiterer melodischer Ton nach dem anderen. Die endlose Pause, bevor etwas passiert.
Nikki, die im Schatten gewartet hatte, setzte eine gefasste, aber besorgte Miene auf und ergriff die Chance. Sie trat mutig vor.
»Mrs. Toppler«, sagte sie. »Hören Sie …«
Aber genau in diesem Augenblick kamen die ersten Gäste in den Tempel. »Dickerson! Davina!« sagte Mrs. Toppler. »Ich hätte mir denken können, dass ihr als erste kommt!«
37
Einzeln oder zu zweit verschwanden die großen Flöten mit Champagner von den Tabletts der Kellner. Einzeln oder zu zweit schlenderten sie in der zunehmenden Dunkelheit durch die Ruinen auf der Suche nach anderen Champagnergläsern, um mit ihnen zu plaudern, und beschäftigten sich dabei aufs angenehmste, indem sie in ihren hellen prickelnden Tiefen das Licht der an den Steinmauern flackernden Fackeln brachen, die schaukelnden Lichter der Yachten unten am Meer und die lautlos sich bewegenden rechten Arme des Streichquartetts.
»Es ist so romantisch!« sagte Rosamund Chailey zu Darling Erlunder.
»Man hat das Gefühl, man könnte jeden Augenblick Agamemnons Flotte über den Horizont segeln sehen!« sagte Russell Pond zu Mrs. Comax.
»Oder Athene, die mit den Kanapees um die Ecke kommt!« erwiderte Mrs. Comax.
»Statt dessen ist Nikki da, unsere ganz persönliche Göttin!« sagte Chuck Friendly.
»Nikki, das ist ja so göttlich! Aber wo ist unser Apollo? Unser himmlischer Dr. Wilfred?«
»Ich bin selbst auf der Suche nach ihm«, sagte Nikki.
»Wir haben alle so viele Fragen, die wir ihm stellen möchten!« sagte Morton Rinkleman.
»Die habe ich auch«, sagte Nikki und ging weiter.
»Arme Nikki«, sagte Mrs. Comax. »Sie sieht völlig verzweifelt aus!«
»Sie trägt so eine große Last auf ihren hübschen jungen Schultern!« sagte Mrs. Friendly.
Eine Champagnerflöte und ein Teller mit Kanapees schwebte auf Kopfhöhe zwischen den Gästen hindurch, die vor der Pförtnerloge noch immer aus Taxis und Limousinen stiegen. »O Nikki«, sagte Elli. »Das ist so lieb von dir. Ich glaube, alle mich haben vergessen. Ich sitze hier in meiner Schachtel wie eine Puppe in einem Laden, und niemand will sie.«
»Du hast nicht zufällig Dr. Wilfred gesehen, Elli?« fragte Nikki.
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