Willkommen im sonnigen Tschernobyl
Weltgeschichte gefangen wurden.
»Das sind Trommler«, sagte Nelson. Ich hatte ölverschmierte Trommler gefangen. Er klopfte sich auf die Schenkel. »Daraus mache ich ein Festessen!«
*
Rhonda war am Telefon. Sie wollten nun den Pelikan aussetzen. Ich hörte sie förmlich mit den Zähnen knirschen. Freiwillig hätte sie nicht angerufen, aber ich hatte die Küstenwache gebeten, sie damit zu beauftragen. Hoffnung, dass ich es nicht rechtzeitig schaffen würde, schwang in ihrer Stimme mit, und sie gab mir eine ziemlich ungenaue Wegbeschreibung. Ihr Team sei schon unterwegs. Wahrscheinlich würde ich sie sowieso nicht mehr finden.
Doch wenn sie glaubte, sie könne diese Pelikanfreilassung vor der Welt verbergen, täuschte sie sich. Ich raste durch die Stadt, überquerte eine beeindruckende Schrägseilbrücke über die nordöstliche Biegung des Kanals, und fuhr auf der anderen Seite wieder in südlicher Richtung. Aus der asphaltierten Straße wurde eine Schotterpiste, die in ein Sumpfgebiet führte, in eine von Kanälen mit glatten Wasseroberflächen durchzogene Wiesenlandschaft. Im Westen zierte die ferne Skyline der Raffinerien den Horizont, ein Miniaturdickicht aus Schornsteinen und Rektifikationsanlagen.
Auf der Fahrt nach Süden kam ich gelegentlich an Müllhaufen vorbei – einem zerborstenen Fernseher am Straßenrand, einem rosa Fernsehsessel, der kopfüber in einem Seitenkanal lag. Kormorane und Pelikane, Kraniche, Reiher und andere langhalsige Vögel kreisten am Himmel. Hier und da saßen Män ner neben ihren Pick-ups und angelten. Die Fische bissen nicht an, erzählten sie.
Natürlich nicht, dachte ich. Das Wasser hier ist sauber.
Schließlich sah ich zwei Geländewagen am Kanal, der parallel zur Straße verlief, parken. Rhondas Team. Ich hatte sie genau zum richtigen Zeitpunkt erwischt.
Der Pelikan schwamm schon im Wasser, dicht neben dem Schilf auf der anderen Seite des Kanals, vielleicht 15 Meter entfernt. Ich ging zu Rhonda und ihren drei Kollegen. Sie registrierte meine Anwesenheit mit offensichtlicher Enttäuschung. Die Reha-Mitarbeiterin aus der Lagerhalle war auch da. »Hey, Kumpel!«, sagte sie und demonstrierte damit, dass nicht alle Pelikandamen mürrisch sind.
Wir beobachteten den Pelikan. Gespannte Erwartung, ja Sorge lag in der Luft.
»Los, komm schon!«, sagte jemand. »Flieg!«
Aber der Pelikan flog nicht. Er schwamm bloß. Und je länger er schwamm, desto angespannter wurden alle. Doch irgendwann tauchte er den Kopf unter, breitete die Flügel aus und bespritzte sich mit einem weiten Flügelschlag mit Wasser. Alle klatschen Beifall.
»Jawohl!«, sagte Rhonda. »Darauf haben wir gewartet!« Sie schoss ein paar Fotos. »Mach das noch mal!«, befahl sie dem Pelikan, und der gehorchte, breitete die Flügel immer wieder aus, flatterte und badete unglaublich majestätisch in der Gischt.
Vorwurfsvoll sagte Rhonda zu mir: »Sehen Sie? Sonderlich aufregend ist es nicht.«
»Und ob!«, protestierte ich. Die Absurdität, dass es mir nicht gelang, eine Wildtierretterin davon zu überzeugen, dass Wildtiere retten tatsächlich interessant war, ging mir einfach nicht in den Kopf.
Rhonda wandte sich wieder dem Pelikan zu, der nun gemächlich im Kreis schwamm, und schrie ihn an.
» HALTE DICH VON DEN MENSCHEN FERN! FLIEG IN DIE WILDNIS! HALTE! DICH! FERN! VON DEN MENSCHEN! «
Dann atmete sie durch. »Es ist ein Problem, wenn er sich an Menschen gewöhnt hat.«
»Heute Nacht wird er die Wärmelampe vermissen«, sagte jemand. Laut Wetterbericht sollte es kühler werden. »Er wird sich bestimmt nach seinem warmen Käfig sehnen.«
»Nein«, sagte Rhonda. »Er fand es furchtbar da drin.«
*
Ein Berg aus Stahl wälzte sich auf uns zu. Ich stand an der Reling und klammerte mich daran fest. Unser Schiff schlingerte und schaukelte. Ich sah nach backbord, also nach links. Es war aber auch schwierig, woandershin zu sehen: Das Ding, das dort aus dem Wasser aufragte, schien endlos zu sein, eine gewaltige Wand angerosteten Metalls, mit der wir zu kollidieren drohten.
Duane, der adrette Pfadfinder zur See, stand mir zur Seite, einen Rucksack auf dem Rücken.
»Lassen Sie die Reling nicht los, bis Sie die Leiter sicher gegriffen haben«, sagte er. Ich machte ein Geräusch wie ein erdrosselter Fisch.
Der Tanker war so hoch und breit, dass er mein gesamtes Blickfeld ausfüllte. Die Distanz zwischen ihm und uns verringerte sich rasant. Bei diesem Tempo –, dachte ich.
Dann hatten wir die Strickleiter,
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