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Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Titel: Willkommen im sonnigen Tschernobyl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blackwell
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Das Hotel Sabine wurde schon vor Jahren aufgegeben und steht nun als Port Arthurs markantestes Wahrzeichen und imposanter Schandfleck leer und tot da. Kein Blick vom zehnten Stock auf den Kanal also, es sei denn, man hat vor, dort einzubrechen.
    Stattdessen fuhr ich nach Pleasure Island, der künstlich angelegten, grünen Insel auf der anderen Kanalseite, um Männern in Schutzanzügen bei den letzten Arbeiten zuzusehen. Boote von Oil Mop zogen die schwimmenden Ölsperren den Kanal hinauf und hinab, die Rümpfe waren mit braunem Rohöl verschmiert. Die Eagle Otome war schon zu Reparaturarbeiten verschwunden, und es herrschte die ruhige Atmosphäre einer Industrieidylle.
    Aus der Ferne schien die Wasseroberfläche des Kanals unauffällig, aber von Nahem konnte man einen noch nicht unmerklichen Ölfilm in Ufernähe ausmachen. Ich hockte mich auf eine schräg abfallende Betonplatte des Damms und sah zu, wie der hauchdünne Regenbogen über die Steine plätscherte.
    Am Kanalufer stand ein Mann. Er war klein, trug eine blau getönte Brille und einen stramm über den Kopf gezogenen Wildleder-Cowboyhut. Er angelte.
    Sein Name war Nelson, und er kam ursprünglich aus El Salvador, lebte aber schon seit einer Ewigkeit in den USA . Nelson hatte in Beaumont einen Kipplaster und verdiente seinen Lebensunterhalt damit, Erde und Schotter für Straßenbauarbeiten zu transportieren. In einem breiten salvadorianischen Akzent mit texanischem Einschlag erzählte er, dies hier sei sein bevorzugter Angelplatz.
    »Letztes Wochenende war da dieser Ölfleck, nicht? Ich komme hierher, viel Öl. Sehr viel Öl. Ich ging den Kanal weiter rauf. Wo es sauber war.«
    Wir blickten nach unten auf den Uferrand zu unseren Füßen, an dem sich kleine, bunte Erdölwasserwellen kräuselten.
    Er runzelte die Stirn, schien aber zufrieden. »Heute … ist okay, glaube ich.«
    »Stört es Sie nicht, dass noch Öl auf dem Wasser ist?«, wollte ich wissen. »Hier sind schließlich immer noch Leute in Schutzanzügen.«
    »Nein, Mann!«, antwortete er und machte eine Handbewegung zum Kanal hin. »Wenn man so angelt, mit ein bisschen Öl, dann braucht man beim Braten keins mehr!« Er kicherte. »Das war ein Witz.«
    Er hatte zusätzliche Angeln dabei. Ich hatte wohl seit zwanzig Jahren nicht mehr geangelt, aber nach einigen etwas gewagten Würfen kam die Erinnerung zurück, und wir ließen die Krebse von Port Arthur Nelsons Köder von den Haken klauen. Die Oil-Mop-Boote drehten weiter ihre Runden und Nelson brach seinen Coors-Light-Vorrat an.
    Er schien froh zu sein, dass ich da war. Bald sprachen wir über seine Scheidung und darüber, wie sehr er seine Söhne vermisste. Er sagte, er wolle eine ausländische Freundin finden, und erzählte von seinen komplizierten Versuchen, über das Internet eine Frau kennenzulernen. Für mich klang es weniger nach Onlinedating als nach einem Nigeria-Scam, aber das schien Nelson nicht weiter zu stören.
    Was ist mit dir, Mann? Hast du eine Freundin?
    Ja, die hatte ich.
    Ich war sogar verlobt. Frau Doktor und ich wollten heiraten. Und dann auf Hochzeitsreise nach Indien fahren, in die weltweit ersten Umweltverschmutzungstourismus-Flitterwochen. Dass sie sogar so etwas mitmachen würde, erschien mir wie ein weiterer Beweis wahrer Liebe. Über den dreckigsten Fluss der Welt zu fahren, nur wir beide … Ich war sicher, dass es romantischer werden würde, als es klang.
    Ein Ruck an der Schnur, und ich tat, was Nelson mir beigebracht hatte, zog die Rute mit einem kurzen Ruck hoch, damit der Fisch fest am Haken saß – und wartete. »Wenn du danach wieder etwas spürst, dann hast du ihn«, hatte Nelson erklärt. Bisher hatte der Ruck bei mir jedoch immer nur bedeutet, dass nun kein Köder mehr am Haken war.
    Doch diesmal gab es einen zweiten Ruck und noch einen – ein unregelmäßiger Trommelrhythmus an der Angel. Ich begann zu kurbeln und wie durch Zauberei waren plötzlich zwei große Fische im Wasser zu sehen.
    Zwei.
    Nelson ließ seine Angelrute fallen und feuerte mich an. »Zieh ihn rein!«, brüllte er. »Zieh ihn rein! Du hast zwei!«
    Ich zog, kurbelte und zerrte die Fische ans Ufer. Nelson packte die Schnur, holte den Fang aus dem regenbogenfarbenen Wasser und strahlte vor Freude über meinen Erfolg. Die Fische hingen erschöpft an der Schnur und schnappten nach Luft, jeder gut vierzig Zentimeter lang. Das waren die größten Fische, die ich je gefangen hatte. Größer vielleicht als alle Fische, die je in der

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