Willkommen im sonnigen Tschernobyl
wenn es einem gelingt, 15 Prozent des Öls zu bergen«, sagte Markland. »Wir nehmen an, dass wir in diesem Fall im Bereich von bis zu dreißig liegen.« Das übrige Öl verdampft einfach oder verläuft zu einem unmerklichen Film, wie Markland es ausdrückte. Das heißt im Klartext, den größten Anteil der Reinigungsarbeiten erledigt die Natur – oder überhaupt niemand.
Hansen saß zurückgelehnt mit verschränkten Armen da. Er machte einen leicht schadenfrohen Eindruck.
»Haben Sie den Slogan von Port Arthur gesehen?«, fragte er.
Ich lachte, denn ich hatte ihn tatsächlich gesehen – auf der Website der städtischen Handelskammer. Es war wohl das ungeschickteste Gemeindemotto aller Zeiten:
Port Arthur: Wo Öl und Wasser eine schöne Mischung ergeben.
Hansen lächelte und schüttelte verständnislos den Kopf. »Es ist gut, dass sie das nicht tun, sonst wäre die Reinigung viel schwieriger.«
Und dann traf ich Rhonda, die mürrische Pelikandame. Sie war verantwortlich für die Rettung und das Wiederaussetzen der verölten Vögel. Die geschäftige Frau im lachsfarbenen Shirt mit unzähligen Taschen zeigte sich erstaunlich unsentimental in Bezug auf ihre Arbeit, und gab sich keine Mühe, ihre Verärgerung über mein Interesse daran zu verbergen. War es naiv von mir gewesen, anzunehmen, dass die Vogelrettungsbeauftragte ein wenig Begeisterung für das Retten von Vögeln zeigen würde? Aber Rhonda war eben keine bloße Vogelliebhaberin. Sie war die Leiterin des Wildlife Response Services LLC (Wild tierrettungdienst) – ein weiteres Unternehmen, das seine Dienste bei einer Ölkatastrophe anbot.
»Was genau wollen Sie eigentlich?«, fragte sie.
Schließlich fand sie sich mit meiner Anwesenheit ab, und bald standen wir in einer Ecke einer riesigen Lagerhalle und starrten einen Pelikan an. Wie durch ein Wunder waren nur neun Vögel in den Ölteppich geraten: ein Seetaucher, ein Kormoran, eine Möwe, ein Drosseluferläufer, ein Nachtreiher und vier Pelikane. Mit einer Ausnahme waren sie alle in die Freiheit entlassen worden, nachdem man sie gesäubert, gefüttert und beherbergt hatte, bis sie wieder in Form waren. Nur ein Braunpelikan war noch zurückgeblieben, der nun in einem Holzkäfig in einem provisorischen Rehazentrum in der Innenstadt lebte.
Eine Mitarbeiterin des Zentrums hob die Abdeckung an und wir drei lugten durch den schmalen Spalt ins Innere. Ich hielt den Atem an. Dort saß, beleuchtet vom orangefarbenen Glühen der Wärmelampe, ein einsamer Pelikan reglos auf einer niedrigen Stange, ein Buddha mit gefalteten Flügeln.
»Er spuckt, wenn man ihn hochnimmt«, warnte Rhonda. Sie wies die Mitarbeiterin an, den Pelikan noch nicht schwimmen zu lassen. »Wenn ein Pelikan isst, muss man ihn in Ruhe lassen.«
Das Jahrhundert war hart gewesen für die Pelikane an der Golfküste. Vor hundert Jahren hatten Fischer sich darauf versteift, dass die Vögel eine Konkurrenz für sie darstellten und sie massenweise abgeschlachtet. Noch schlimmer waren die Pesti zide, die in den 1950er-Jahren in die Umwelt gesprüht wurden, sie stellten sich als Zwei-Phasen-Pelikan-Vernichtungswaffe heraus: DDT ließ die Eierschalen dünn werden und tötete die Küken noch vor dem Schlüpfen; durch Endrin starben die Fische, die ihre Nahrung waren, sodass massenweise Pelikane verhungerten. In den späten 1960ern waren sie fast vollständig von den Küsten vor Texas und Louisiana verschwunden.
In den späten 1960ern und 1970ern wurden wieder Pelikane in Florida angesiedelt und langlebige organische Schadstoffe, die ihre ökologische Nische bedrohten, verboten. Heute wimmelt es an der Küste wieder von ihnen. Was nicht heißt, dass sie unverwundbar sind, selbst ohne Ölkatastrophen.
»Jedes Jahr sterben zahlreiche Pelikane«, sagte Rhonda, als der Helfer den Käfig wieder abdeckte. »Bei extremen Kälte einbrüchen wandern die Fische ab und die Vögel finden nicht genug Nahrung.« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ich bin keine Biologin.«
Dann lachte sie. »Diese Kerlchen hatten Glück, dass sie ins Öl geraten sind. Wir haben sie ordentlich gefüttert.«
*
Das Hotel Sabine ist das höchste Gebäude in Port Arthur und somit am besten geeignet, um einen Blick auf die Folgen des Ölunfalls zu werfen. Nichts ist vergnüglicher, als ein Zimmer zur Südseite in einem der höheren Stockwerke zu buchen und die Einsatzkräfte zu beobachten, die den Kanal hinauf und hinunter schwirren.
Das heißt, es wäre vergnüglich.
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