Willkommen im sonnigen Tschernobyl
schließlich ein Aktivist mit einem klaren Fokus. Außerdem bot die Chicken-McNugget-Connection zwei strategische Engpässe, die Greenpeace angreifen konnte: den Santarém-Umschlag und die Vorstandsetage von McDonald’s.
Sie schickten das Schiff Arctic Sunrise nach Santarém, blockierten damit das Cargill-Terminal und lieferten eine Ladung Aktivisten, die das Betriebsgebäude hinaufkletterten und es vorübergehend stillgelegten, wie sie das eben so machen.
Bei McDonald’s fuhren sie die schweren Geschütze auf: Aktivisten in Hühneranzügen. In Großbritannien tanzte ein Greenpeace-Stoßtrupp in Hühnerverkleidung durch die McDonald’s-Filialen und kettete sich an Restauranttische. Das Filmmaterial dazu, in dem sich ein Polizist einem der Hühner nähert und nach dem Verantwortlichen fragt, ist reinste dadaistische Unterhaltung.
Die Aktivisten sollten öfter mal ihre Hühneranzüge hervorholen. Innerhalb weniger Wochen war der Druck am anderen Ende der Wertschöpfungskette angekommen und Cargill musste sich an den Verhandlungstisch setzen, gemeinsam mit allen anderen großen Sojaeinkäufern in Brasilien (darunter auch der global operierende Agrarkonzern ADM ). Die Unternehmen hatten offenbar große Angst, dass sie als Nächstes Besuch von den Hühnern bekommen könnten.
Keine drei Monate, nachdem alles begonnen hatte, unterzeichneten die Sojakonzerne ein Abkommen, dass sie kein Soja von frisch abgeholztem Land kaufen würden. Laut David Cleary, dem Leiter für strategische Entwicklung bei der Naturschutzorganisation Nature Conservancy, die den Deal ausgehandelt hatte, geht das Abkommen weit über den von der brasilianischen Regierung festgelegten Standard hinaus: Der erlaubt zwanzig Prozent Abholzung auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Gemäß dem Abkommen – bekannt als Soja-Moratorium – kauft Cargill von keiner Farm Soja, auf der seit Inkrafttreten des Moratoriums auch nur ein Baum abgeholzt wurde.
Im Gegensatz zu dem Ambé-Projekt, das über lokale Interessenvertreter von unten her agiert, wirkt das Soja-Moratorium von oben nach unten und basiert auf Technologie. Es funktioniert so, dass Sojabauern ihr Land bei Nature Conservancy registrieren lassen müssen und dann Mitarbeiter von Cargill bei ihnen auftauchen und ihr Gelände mit tragbaren GPS -Geräten ablaufen, um so per Satellit jegliche Abholzung darin zu erfassen. Brasilien hatte schon ein ziemlich ausgeklügeltes System, um die Rodung zu kontrollieren – zum Teil mit Informationen der NASA –, aber ohne genau zu wissen, welches Land welchem Farmer gehörte, konnte die Regierung trotzdem nicht viel tun. Nun aber kann jede einzelne Farm überwacht werden und günstige GPS -Technologie ermöglicht es, diese zusätzliche Kontrolle ohne größere Zusatzkosten in das bestehende Satellitensystem zu integrieren.
Das Verrückte an dem Soja-Moratorium ist – abgesehen von den Leuten in Hühneranzügen, die an seiner Entstehung beteiligt waren –, dass es offenbar tatsächlich funktioniert. Es ist nach wie vor in Kraft und die Abholzung aufgrund von Sojaanbau ist im Gebiet um Santarém vollständig zum Erliegen gekommen. Ich weiß das, weil Adam mir ein Diagramm gezeigt hat, das auf Daten der brasilianischen Regierung basiert und die gesamte Abholzung in der Region zeigt. Unmittelbar nach der Einführung des Soja-Moratoriums ist die Linie flach.
Auch Luiz, der Sojafarmer, bezeugte seine Wirksamkeit. »Wenn man sich nicht daran hält, kann man keine einzige Sojabohne verkaufen«, grummelte er. »Dann bezahlt Cargill einen nicht.« Gäbe es das Moratorium nicht, »würden wir überall anbauen«.
Luiz war genervt davon, aber unter dem Aspekt des Um weltschutzes war das Abkommen so effektiv, dass man sich nun Hoffnung machte, ein ähnliches System auf die Rinderzucht anwenden zu können. Sollte das gelingen, wäre dies eine wichtige Errungenschaft zur Regulierung der Waldrodung in Entwicklungsländern.
Es war nicht auszuhalten. Hörten die guten Nachrichten denn nie auf? Fassen wir einige der mir unliebsamsten Erkenntnisse zusammen:
a) Die Regenwald-Rodungstour fand genau zu dem Zeitpunkt statt, als die Abholzungsrate ihr Rekordtief erreicht hatte.
b) Das Thema Soja zum journalistischen Fokus zu machen, stellte sich als Fehler heraus, der durch einen kurzlebigen Trend in den Medien hervorgerufen wurde.
c) Aus diesem Grund vernachlässige ich das eigentliche Problem, das nach wie vor Fleisch ist.
d) Multinationale
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