Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
Lizzy.
An diesem Nachmittag gebe ich die Karte auf.
Zwei Wochen verstreichen, doch ich bekomme keine Antwort.
32
Ich sitze in der French Bar an der Dean Street und wehre alle Versuche der Feierabend-Trinker ab, sich den Platz zu schnappen, den ich für Lulu reserviert habe. Über der Lehne des leeren Stuhls hängt mein Mantel, auf dem Sitz liegt der Evening Standard. Aber das hindert hoffnungsvolle Tisch-Aspiranten nicht daran, sich alle fünf Minuten zu nähern und zu fragen: »Ist dieser Stuhl noch frei?«
Höflich schüttle ich den Kopf. »Tut mir leid«, sage ich und gieße Rotwein in das leere Glas, um die Illusion zu untermauern, dass tatsächlich jemand bei mir sitzen würde. Bald ist es so weit, und ich werde ein Gespräch mit meiner imaginären Freundin beginnen – das müsste die Leute dann endgültig fernhalten.
Nachdem Lulu sich in Laurent verliebt hatte, wurde der Club der alten Jungfern offiziell aufgelöst. Zugegeben, ich bin immer noch eine alte Jungfer, aber wenn man allein eine ist, kann man nicht von »Club« reden. Trotzdem haben wir unseren Mittwochabend in der French Bar wieder eingeführt.
Seit jenem schicksalhaften Abend, an dem Lulu mich zum Kontrollverlust überredet hat, bin ich zum ersten Mal wieder hier. Ohne jeden Zweifel können wir behaupten,
dass ich mich an unsere Vereinbarung gehalten habe. Auf eine Weise, die unsere kühnsten Träume übertraf. Vielleicht bin ich jetzt das einzige Mitglied dieses Clubs, aber zumindest bin ich nicht mehr der zölibatäre Single, der ich noch vor drei Monaten war.
Klar, Randy hat sich als Idiot entpuppt – das habe ich überlebt. Wenn er jetzt in die Bar käme, wäre ich wohl kaum entzückt. Aber als ich in der letzten Hot Slebs gelesen habe, dass nun auch Paris Hilton auf der Liste seiner Eroberungen stehen würde, konnte ich wenigstens drüber lächeln, anstatt mich in den Schlaf zu weinen. Und diese ganze Erfahrung beweist mir, dass ich mich am Ende einer Beziehung nie wieder zu einem grässlichen, schluchzenden Wrack erniedrigen werde, so wie damals, als Joe mich verlassen hat. Trotz aller Demütigungen verkrafte ich das Ende meiner Scheinbeziehung mit Randy. Es geht mir gut. Und ich bin immer noch ich.
»Tut mir leid, da sitzt jemand«, sage ich zu einem weiteren potenziellen Stuhlräuber.
Lulu hatte recht. Ein bisschen musste ich die Kontrolle verlieren, um meinem tristen Alltagstrott zu entrinnen. Randy war wie eine Elektroschocktherapie für emotional erstarrte Patienten. Extrem und lächerlich und vielleicht lebensnotwendig.
Aber wie ich in den letzten Wochen gemerkt habe, sind auch Elemente meines früheren Lebens zurückgekehrt. Kontrolle und Organisation gehören nun mal zu meinem Wesen. So wie Lulu werde ich niemals sein, so gern ich auch mal mit dem hübschen vierundzwanzigjährigen Schauspielschüler, der die Tretboote im See im Hyde Park vermietet (Lulus Mr Mai), nackt in ebenjenem
baden möchte,. Das bin ich einfach nicht, und das ist okay.
Für mich wird es allmählich Zeit, mein wahres Ich zu finden. Ich kann verschiedene Erfahrungen sammeln und trotzdem in einer sauberen Küche kochen. Ich sollte meinen Alltag etwas flexibler gestalten. Aber ein Teil von mir wird immer eine gewisse Routine brauchen, damit ich mich sicher fühle. Ganz sicher werde ich das Thema nicht mit einem dieser Seelenklempner erforschen, die führen ja bloß immer alles auf die Mütter zurück. Außerdem weiß ich ohnehin, was mit mir los ist. Ich kann meine Schuhe nach Farben ordnen und einen Freund haben. Allerdings wäre ein ordnungsliebender Typ angenehm, das gebe ich zu.
»Nein, sorry, hier ist besetzt.« Mit einem freundlichen Lächeln, aber in entschiedenem Ton unterbinde ich einen weiteren Versuch, den leeren Stuhl zu erobern. Wo bleibt Lulu?
Mein Leben ändert sich bereits. Am Montag trete ich meinen neuen Job bei African Vision an. Nein, die nonnenhafte Wohltäterin mit dem irren Sexappeal bin ich nicht mehr. Die Idee, in eine exotische Gegend zu flüchten, hat nach einschlägigen Nachforschungen ihren Reiz verloren. In einem gewissen Lebensabschnitt akzeptiert man kalte Duschen, Hängematten und Plumpsklos vielleicht. Besonders, wenn man unter dreißig ist. Das ist vorbei. Ich habe Camilla in dem Glauben gelassen, dass ihre Überredungskunst mich umgestimmt hätte. Dass sie diesen Sieg mit dem Luxus moderner Installationen teilt, muss sie nicht wissen.
»Tut mir leid, da sitzt jemand«, sage ich zum gefühlten vierzigsten
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