Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)

Konsequenzen sorgen. Eins habe ich jedenfalls nicht erwartet, dass Dan lachen würde.
    Da wären wir also. Ich bin ein Risiko eingegangen, und was nützt mir das? Soeben habe ich den Bruder meiner besten Freundin geküsst, und er hält das alles für einen großen Witz. Ich fühle mich so verlegen, so ausgeliefert,
als würde ich gerade nur in meiner Unterwäsche in dieser Bar sitzen. Wie werde ich das jemals verkraften? Ringsum erklingt Gelächter, und obwohl ich weiß, dass die Leute sich nur amüsieren (ich hasse sie alle), hört es sich so an, als würden sich alle zusammen mit Dan über mich lustig machen.
    »O Gott, tut mir leid, Dan.« Brennend steigt das Blut in meine Wangen. »Keine Ahnung, was in mich gefahren ist...«
    »Lizzy Harrison, du bist eine Frau, die voller Überraschungen steckt«, bemerkt Dan und grinst immer noch.
    »Ja, kann sein.« Hastig nehme ich meine Handtasche von der gepolsterten Sitzbank an der Wand. Höchste Zeit zu verschwinden, und zwar nicht durch die Falltür. »Tut mir leid, falls ich dich blamiert habe. Ich muss jetzt gehen...«
    »Bleib sitzen.« Dan greift herüber, entwindet mir die Tasche und legt sie auf die Bank zurück.
    Aufmerksam schaue ich in sein Gesicht. Wenn ich jetzt die Augen schließe, würde ich trotzdem noch jede Einzelheit sehen können. Die marineblauen Augen, die so dunkel werden, wenn er sich ärgert oder wenn ihn Gefühle überwältigen. Die idiotischen Haare, die ständig in seine Stirn fallen, beharrlich stillose Locken, inzwischen mit ein paar Silberfäden an den Schläfen. Am Kinn die ersten Anzeichen von Bartstoppeln. Die Miene, die sanften Spott bekundet, eine hochgezogene Braue.
    »Lizzy Harrison, machst du dich an mich ran?«, fragt er ernsthaft.
    Oh, ich wünschte, die Erde würde sich auftun und mich verschlingen.
    »Äh – nein, das war ein Missgeschick, mein Mund ist
rein zufällig auf deinen geraten, Dan, ha, ha.« Jetzt sitze ich auf meinen Händen, damit ich mich nicht beschämt herumwinden kann. »Sorry.«
    »Ja, klar, völlig unverständlich.« Er neigt sich näher zu mir. »Manchmal passiert so was.« Und dann nimmt er mein Gesicht in beide Hände und schlingt seine Finger in mein Haar. Kein bisschen zufällig presst er seine Lippen auf meine.
    Alle meine Knochen verwandeln sich in Spaghetti. Selbst wenn ich es wollte – ich könnte mich nicht rühren.
    »Wow.« Dan richtet sich auf, und seine Augen funkeln voller Belustigung. »Das war mein Fehler. Irgendwie ist es über mich gekommen.«
    Es scheint alles wie im Zeitlupentempo zu geschehen. Wenn ich versuchen würde zu sprechen, würden meine Worte sicherlich gedehnt und unartikuliert klingen. Und ich kann nicht aufhören zu lächeln. Allmählich schmerzen meine Wangen.
    Dans dunkle Augen halten meinen Blick mit einer Intensität fest, die mir fast greifbar erscheint, die zwischen uns knistert und glitzert. Auf der Tischplatte ergreift er meine Finger, und ich muss seine Hand festhalten.
    »Also«, sagt er schließlich.
    »Also«, murmle ich, kaum fähig, ein O zu formulieren, wegen dieses albernen, festgewachsenen Lächelns.
    »Was nun?«, fragt er und drückt meine Finger.
    »Weiß ich nicht. Ist das okay?«
    »Du weißt es nicht?«, hänselt er mich. Lachend wirft er seinen Kopf in den Nacken.« Lizzy Harrison hat keinen Plan? Aber du hast doch bestimmt ein Taxi bestellt, das in fünf Minuten eintreffen wird?«
    »Kein Taxi«, flüstere ich, »kein Plan.«
    Grinsend küsst er mich wieder und zieht mich zu sich hinüber.
    Ganz deutlich höre ich jemanden neben uns sagen: »Nehmen Sie sich ein Hotelzimmer.« Vielleicht werden wir das tun.
     
    Ich weiß, ich müsste Ihnen erzählen, wie es weitergeht. Doch da gibt es ein Problem – ich habe keine Ahnung.
    Und das ist wundervoll.

Die Originalausgabe erschien 2011
unter dem Titel »Lizzy Harrison loses control« bei Pan Macmillan,
a division of Macmillan Publishers Limited, London
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    1. Auflage
Deutsche Erstausgabe Januar 2012 bei Blanvalet Verlag,
einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Copyright © 2011 by Pippa Wright
Copyright © 2012 für die deutsche Ausgabe
by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München
Umschlaggestaltung: © bürosüd°, München
unter Verwendung eines Motivs von Getty Images
Redaktion: Eva C. Seifert
LH · Herstellung: sam
Satz: Uhl+Massopust, Aalen
    eISBN