Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
wissen nichts von der maßlosen Ich-Bezogenheit eines durchschnittlichen Promis. Jedenfalls war Randys Telefonat mit Bryan Ross genau das Richtige, wie sich herausstellte. Innerhalb von vier Stunden lag das Model in der Klinik, zwei Sanitäter heimsten einen unerwarteten warmen Geldregen als Lohn für ihr Stillschweigen ein, und Randy landete in einer Entziehungsklinik in Croydon, mit hohen Mauern und fabelhaft diskretem Personal. Von der Existenz dieser Einrichtung wissen nur wenige Leute. Am Montagmorgen verkündete Camilla in einer Pressemitteilung, Randy sei wegen »Erschöpfung« in ein Krankenhaus gebracht worden. Schon zum dritten Mal in diesem Jahr. Natürlich musste da das Misstrauen der Reporter erwachen. Aber im September beginnt Randys große US-Tournee, und wir konnten es uns nicht leisten, seinen Rückfall publik zu machen.
Camilla hatte ihn unter ihre Fittiche genommen, als er ein aufstrebender Comedian in Hackney gewesen war. Nach einem kurzen Auftritt in einer Realityshow (und einer
noch kürzeren Affäre mit einem Co-Star) avancierte er zum Liebling der Boulevardpresse und wurde berühmt für sein ungeheuerliches Benehmen. Die Story seines Triumphs über sein Suchtproblem gehörte zur Legende Randy Jones. Und ich meine nicht nur eine Sucht. Damals begnügte er sich keineswegs mit einer einzigen Droge, so wie er sich niemals auf eine einzige Frau beschränken würde. Nein, er nahm alles – Alkohol, Pillen, Rauschgift, was immer der Markt zu bieten hatte. Während sein Ruhm wuchs, wurde er clean – ein Comedy-Automat, der sich zu seinen verrückten Szenen inspirieren ließ, weil er einfach nur high vom Leben war. Aber mal ehrlich, jemand, der behauptet, er wäre »high vom Leben«, ist doch höchst verdächtig. In Wirklichkeit war Randy von verschreibungspflichtigen Tabletten high. Wenn man ihn damals geschüttelt hätte, hätte er geklappert wie eine Rassel. Die warf er sogar jetzt noch manchmal ein, wenn das legale Zeug seine manischen Launen nicht verhindern konnte. Er holt sich das dann bei seinen »Freunden«, die er angeblich hinter sich gelassen hat. Aber nachdem ihn einer von denen nun offenbar an die Presse verraten und verkauft hatte, waren sie wohl gar nicht so glücklich gewesen, ihn wiederzusehen.
Wie wird Camilla ihn aus diesem Schlamassel herausholen?
Um zwanzig nach neun rauscht sie herein, mit wehendem blondem Haar. Sie schleppt zwei Handtaschen, einen Bob-der-Baumeister -Rucksack, eine vollgestopfte Marks &-Spencer -Tragetasche und eine Papiertüte von Starbucks, die – nach den Flecken auf der Außenseite zu schließen – verschütteten Kaffee und irgendeinen fettigen Kuchen
enthält. Klar, das klingt nach einer ganzen Menge. Aber glauben Sie mir, heute ist sie mit eher leichtem Gepäck unterwegs.
»Hallo, Lizzy!«, ruft sie und versucht erfolglos, den Rucksack an ihre Schulter zu hängen. »Du bist schon da? Ja, natürlich, nach dir könnte ich meine Uhr stellen! Falls ich jemals vor dir hier wäre, ha, ha! Heute bin ich ein bisschen später dran, weil ich Cassius in den Kindergarten bringen musste. Oh – Mist!«
Sie schaut auf den Bob-der-Baumeister -Rucksack hinab, der inzwischen an ihrem Arm zu Boden gerutscht ist.
»Mist, Mist, M ist! Ich habe immer noch diesen verdammten Rucksack bei mir. Kein Wunder, dass er beim Abschied so geschrien und die Arme ausgestreckt hat! Weil er noch mal umarmt werden wollte, dachte ich. Aber er war natürlich hinter seinem Lunchpaket her. Jetzt muss ich schleunigst im Kindergarten anrufen, tut mir leid, Lizzy, wie geht’s dir?«
»Guten Morgen, Camilla, mir geht’s gut, danke«, sage ich zu ihrem Rücken, der sich hastig entfernt. Als sie ihr Gepäck auf den Boden ihres Büros wirft, sehe ich was Weißes hinten am Rock ihres rosa Wollkleids. Babymilchpulver? Joghurt? Bitte, lieber Gott, bloß nicht irgendwas Widerliches, das mit ihrem lächerlich fruchtbaren Ehemann Jeremy zusammenhängt! Den nennen wir alle den Sperminator, weil Camilla in nur zwei Jahren drei Kinder gekriegt hat. Nein, es sieht anders aus. Wahrscheinlich ist einem der Zwillinge schlecht geworden. Darauf muss ich sie unbedingt hinweisen, bevor sie zu ihrem Halb-zehn-Termin rennt. Falls sie überhaupt weiß, dass sie um halb zehn einen Termin hat. Auch darauf muss ich sie aufmerksam machen.
Noch bevor sie sich setzt, telefoniert sie. Ohne Aufforderung wähle ich die Nummer der Kurierfirma. Den Weg zu Cassius’ Kindergarten mit dem Spielzeugbeutel oder dem
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