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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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zwanzig Minuten hatte der erste Läufer seine Runde durch die umliegenden Straßen beendet und näherte sich dem Apartmenthaus. Wyatt stieg aus dem Wagen und holte ihn noch vor der Eingangstür ein. Die letzten Meter liefen sie gemeinsam. Wie sein vermeintlicher Laufpartner stoppte auch Wyatt die Zeit. Sein Gesicht war weitgehend durch die Kapuze verhüllt, sein Atem ging stoßweise. Es war der Sound der Großstadt, so untrennbar mit dem Laufen verbunden wie Laufschuhe für zweihundert Dollar. Es klappte. Der andere drehte sich unwillkürlich nach ihm um, nickte ihm leicht zerstreut zu und stoppte an der Glastür ein weiteres Mal die Zeit. Der Portier erkannte sie, betätigte den Türöffner und sie waren drinnen.
    Wyatts Laufpartner bewohnte ein Apartment im Erdgeschoss. Die Aufzüge waren am hinteren Ende der Eingangshalle. Getreu seiner Rolle joggte Wyatt über den Marmorfußboden, drückte auf den ›Aufwärts‹-Knopf und während er auf den Lift wartete, machte er einige Rumpfbeugen.
    Der Aufzug kam, die Tür teilte sich und Wyatt trat ein. Die Kabine war innen verspiegelt und der Anblick dieser halb vermummten Gestalt, dieser Klamotten, die er freiwillig nie tragen würde, war ihm ziemlich peinlich. Er drehte seinem Spiegelbild den Rücken zu, starrte hinaus ins Foyer und wartete darauf, dass die Tür sich schloss.
    Nahezu lautlos schwebte der Fahrstuhl nach oben. Wyatt nahm seine .38er heraus. Er trug Handschuhe. Sanft deutete der Aufzug seinen Halt an, die Türen schoben sich mit einem leisen pling! auseinander und Wyatt stand in dem schmalen Flur des Apartments, um sogleich Drew die Waffe unter das Kinn zu stoßen. Der kahlköpfige Wirtschaftsprüfer trug in jeder Hand einen Koffer. Er blieb stehen, als Wyatt »Stehen bleiben!« sagte und stellte die Koffer ab.
    »Rein hier«, befahl Wyatt.
    Außer Towns, der gerade in einem der Schlafzimmer Hemdenstapel in einen Koffer packte, war niemand zu sehen. Wyatt nötigte beide hinunter auf den Boden, Gesicht nach unten. »Sieht nach überstürztem Abschied aus«, bemerkte er.
    »Rose ist nicht zurückgekommen«, erwiderte Towns, als sei das eine Erklärung.
    »Wo ist Hami?«
    »Er holt schon mal den Wagen.«
    »Wir hatten eine Abmachung, Towns. Ich will mein Geld zurück.«
    Towns verdrehte den Kopf, um Wyatt anzusehen. Er schien irritiert und dachte fieberhaft nach, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. »Ich habe Ihr Geld nicht!«
    »Sie wussten von dem Haus in Northcote und haben Rose hingeschickt«, sagte Wyatt. »Sie hat uns aufgelauert und ist mit dem Geld abgehauen.«
    Towns schüttelte den Kopf. »Da muss noch jemand im Spiel sein. Wir haben Ihr Geld nicht.«
    »Dann hat sie sozusagen in Eigenregie gehandelt?«
    Towns ließ den Kopf wieder sinken und legte die Wange auf den Teppich. »Ist nicht ihr Stil.«
    »Beim ersten Versuch hat ihre Waffe versagt«, beharrte Wyatt. »Dann hat sie einen zweiten Anlauf genommen. Mich interessiert, woher sie beide Male wusste, wo wir uns aufgehalten haben.«
    »Wir hatten keine Ahnung, was das Haus in Northcote betrifft. Das mit Ounsted ... vor etwa einer Stunde haben wir einen Tipp bekommen. Was ist mit Rose?«
    »Na was wohl?«, antwortete Wyatt lakonisch. Dann: »Ist es Keplers Idee gewesen, sie auf uns anzusetzen?«
    Wieder verrenkte sich Towns fast den Hals, um Wyatt anzusehen. Er war sichtlich entnervt. »Ich sag’s noch mal. Wir haben Ihr Geld nicht und Rose hat nicht in Eigenregie gehandelt. Verdammt noch mal, das ist wirklich der Gipfel! Erst locken Sie uns in eine Falle, dann beschuldigen Sie uns Ihr Scheißgeld genommen zu haben.«
    Wyatt runzelte die Stirn. »Was soll das heißen, eine Falle?«
    »Ach, Wyatt, kommen Sie«, Towns’ Tonfall wurde grob, »Sie haben die Mesic-Brüder umgelegt und versuchen, es uns in die Schuhe zu schieben.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    »Zum Glück waren wir noch nicht auf dem Grundstück, als die Cops aufgetaucht sind. Wir sind dann sofort hierher, haben kurz darauf den Hinweis erhalten, dass Sie beide bei Ounsted sind und haben Rose losgeschickt, um die Sache zu regeln. Bisher ist sie nicht zurück, hat sich nicht mit uns in Verbindung gesetzt, was bedeutet, dass Sie schneller waren. Für uns heißt das: Zurück nach Sydney und einen Schluss-Strich unter diese verdammte Geschichte ziehen.«
    Wyatt saß auf dem Bettrand, in einiger Entfernung von Drew und Towns. Die .38er in seiner Hand spielte nicht mehr als eine Statistenrolle. »Da ist was faul. Als wir

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