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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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wieder hin und döste ein wenig. Er würde Kepler umlegen und es dabei belassen. Würde er sich Rose vornehmen oder Towns, müsste er den ganzen Haufen erledigen, und dafür hatte er im Augenblick weder die Energie noch die Zeit oder die Mittel. Kepler hatte diesen Tanz eröffnet, Towns als sein möglicher Nachfolger würde weitermachen. Doch Towns war jemand, mit dem man verhandeln, mit dem man Nägel mit Köpfen machen konnte. Sicher, das Geld spielte eine gewichtige Rolle, aber nie und nimmer würde er die vollen zweihunderttausend zurückbekommen. Er musste sich was einfallen lassen, dem Syndikat das Geld auf andere Weise abzuknöpfen.
    Nach einer knappen halben Stunde kam Ounsted zurück. Wyatt hörte es am Tuckern des Motors und dem Krächzen des Getriebes. 23.02 Uhr. Er stieg aus dem Bett und spähte noch einmal durch die Lamellen. Der Doc stellte den Wagen ab, betrat das Grundstück und schloss das Tor hinter sich.
    Wie sollte er nach Sydney kommen, wie sich Kepler schnappen? Das war ein Problem. Beides würde Zeit kosten und Geld. Zeit hatte Wyatt im Übermaß, seine Mittel aber waren begrenzt. Blieb nur, auf Bewährtes zurückzugreifen, einen schnellen Versicherungsjob oder das einzige Restaurant eines verschlafenen Nestes im Umland um die Tageseinnahmen zu erleichtern; also die Art von Nebenverdienst, die ihm zwar ein paar Scheine einbrachte, aber noch lange keine finanzielle Entlastung bedeutete. Wyatt schlief darüber ein. Er schlief, bis der Doc die Nachttischlampe anmachte und ihn wachrüttelte — nur es war nicht Ounsted, sondern Rose in Ounsteds Hut und Mantel, eine Waffe in der Hand.
    Das erklärte den nächtlichen Anruf. Sie hatten Ounsted weggelockt und Rose war an seiner statt zurückgekehrt.
    Sie trat zwei Schritte zurück und grinste Wyatt an.
    »Die lebende Legende. Eine Schande, dass sie im Bett stirbt, noch dazu ohne Schuhe.« Sie zielte genau auf seine Stirnmitte. »Du darfst die Augen schließen, wenn du möchtest.«
    So gut war sie nun doch wieder nicht. Sie hätte nicht aufhören dürfen, mit ihm zu reden, nicht zulassen dürfen, dass Konkurrenzdenken und Emotionen die Oberhand gewannen. Wie selbstgefällig sie sich präsentierte und ihm zu verstehen gab, er habe verloren, wie sie alles daran setzte, ihm bewusst zu machen, dass er sterben werde und wer den Abzug drücke — es war nicht professionell und Wyatt erschoss sie durch die Bettdecke. Blut spritzte umher, Fetzen der Bettdecke segelten durch die Luft und Rose prallte mit dem Rücken gegen den Schrank und sank zu Boden. Ihre Gliedmaßen waren bereits erschlafft, doch als Wyatt genau hinsah, war da noch eine einzige letzte Regung, eine unwillkürliche Muskelkontraktion, und danach regte sich nichts mehr.
    In der Manteltasche fand er die Schlüssel des Peugeot. Er vergewisserte sich, dass Jardine im Behandlungszimmer friedlich schlief, und nur einen Augenblick später stand er in der Gasse hinter Ounsteds Haus. Er lief einmal um den Block, doch alles war menschenleer. Rose war ohne Verstärkung gekommen. Jetzt war er der Jäger.

    SIEBENUNDDREIßIG

    Der Osten Melbournes war grün, feucht und außergewöhnlich dunkel. Doch hundert Meter entfernt spendete ein Gebäude seiner düsteren Umgebung ein wenig Licht — das Apartmenthaus, in dem sich die Etage des Syndikats befand. Wyatt sah auf die Uhr — 23.30 Uhr — und lehnte sich gegen die Fahrertür des Peugeot. Er wartete.
    Nicht lange und seine Aufmerksamkeit war gefragt. Die Glastür ging auf, ein Portier in Uniform berührte seine Mütze mit der Hand, um einen Mann im Trainingsanzug zu grüßen. Wer der Läufer war, wusste Wyatt nicht. Er wusste nur, dass jedes Mal, wenn Jardine und er sich im Anschluss an die Observation der Mesics zu nächtlicher Stunde mit Towns getroffen hatten, ein Läufer aus dem Gebäude gekommen war. Der Mann flitzte gerade am Peugeot vorbei und ward nicht mehr gesehen.
    Einige Minuten später kam ein Zweiter aus dem Gebäude. Er lief langsamer. Wyatt hatte zuvor die Innenbeleuchtung ausgeschaltet, so dass für den Mann nichts darauf hindeutete, dass die Beifahrertür in diesem Moment aufgestoßen wurde. Er prallte gegen die Tür, rang nach Luft und ging zu Boden. Niemand war in der Nähe. Wyatt sprang aus dem Wagen, gab Äther aus Ounsteds Koffer auf ein Tuch und drückte es dem Freizeitsportler aufs Gesicht. Dann zog er ihm den Trainingsanzug aus und streifte ihn sich über. Zuletzt verfrachtete er den Typ auf die Rückbank.
    Er wartete. Nach etwa

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