Willkür
das Gelände verlassen haben, waren die Mesics noch am Leben. Habt ihr was beobachtet? Wenn ja, was?«
»Nach dem Signal haben wir erst mal gewartet. Ihr wart weg, niemand ist euch gefolgt, also wollten wir unseren Teil erledigen. Und dann waren auf einmal die Cops da.«
»Woher wissen Sie, dass die Brüder tot sind?«
»Es war bereits in den Nachrichten.« Towns sah auf die Uhr. »Gleich Mitternacht. Machen Sie den Fernseher an, wenn Sie mir nicht glauben.«
Wyatt dirigierte sie in den Wohnraum. Dort schaltete er den Fernseher an und zappte sich durch die Programme. Der Überfall auf die Mesics war Topthema bei Nine News. Die Bilder zeigten viel Nacht, nur hier und da durchbrochen von der Beleuchtung in den Gebäuden, jede Menge Streifenwagen, deren rotblaue Signalleuchten eine Atmosphäre des Schreckens heraufbeschworen. Ein Polizist drängte die Kameras zurück, dann die Großaufnahme einer Reporterin vor Ort: »Ein bewaffneter Raubüberfall nahm heute Abend in diesem Haus in Templestowe einen schrecklichen Verlauf. Zwei Brüder wurden ermordet, kaltblütig erschossen, als sie wehrlos mit Handschellen an einen Heizkörper gefesselt waren. Eine weitere Bewohnerin, nach eigenen Angaben die Ehefrau eines der Opfer, blieb unverletzt und soll sich zur Zeit bei Freunden aufhalten. Die Polizei fahndet nach zwei Männern, die vermutlich mit einem weißen Toyota-Kleinlaster und einem Saab auf der Flucht sind. Die Männer gelten als äußerst gefährlich und machen von der Schusswaffe Gebrauch. Zurück ins Studio.«
»Wir betrachten das folgendermaßen, Wyatt: Nachdem Sie Ihr Geld hatten, haben Sie die Mesics erschossen und wir sollten dafür zur Verantwortung gezogen werden.«
»Und warum hätte ich die Frau verschonen sollen? Warum bin ich hier und fordere mein Geld zurück? Wir hatten eine Abmachung und ich für meinen Teil habe mich daran gehalten.«
Während er sprach, starrte er auf den Bildschirm. Auf einem anderen Kanal wurde ausführlicher über den ›Templestowe-Doppelmord‹ berichtet. Die Opfer wurden beim Namen genannt und Polizei und Nachbarn schilderten ihre Eindrücke für die Kamera. Filmmaterial aus einer früheren Berichterstattung wurde nochmals gezeigt: Rettungswagen, Stella Mesic beim Einsteigen in ein Auto, Lichtkegel von Taschenlampen und Hundeführer, die das Gelände durchkämmten.
Hätte es die Möglichkeit gegeben, ein Bild einzufrieren, Wyatt hätte sie sofort genutzt: Zwischen den Männern, die auf der Treppe zur Eingangstür standen, wenn auch nur am Rande des von den Kameras ausgeleuchteten Bereiches, entdeckte Wyatt den Unbekannten, den er am ersten Tag der ›Operation Mesic‹ gesehen hatte. Der Typ war ein Cop und Wyatt gingen mit einem Male eine Menge Lichter auf. Er drückte einen Knopf auf der Fernbedienung, das Bild fiel zusammen und der Bildschirm war dunkel. »Ich werde euch die Mesics noch liefern«, sagte er zu Towns.
ACHTUNDDREIßIG
Der Anfang ihrer Affäre mit Bax war einfach unbeschreiblich gewesen. Sie hatten sich nicht satt sehen können am Anblick ihrer gierigen Körper in den Wand- und Deckenspiegeln von Stellas Schlafzimmer, ihre Haut schweißglänzend in dem durch leichte Vorhänge gedämpften Licht der Nachmittage, an denen Leo nicht zu Hause gewesen war. Bax hatte es erregt, sie beim Schlürfen von Austern zu beobachten, und manchmal hatte sie übermütig Brandy über seinem Schritt verspritzt. Das waren die Momente gewesen, in denen sie ihr kehliges Lachen hatte erklingen lassen und von dem Bax sagte, es mache ihn so wahnsinnig an. Es waren keine Schuldgefühle gewesen, die sie umgetrieben hatten, sondern nur der Hunger auf einander. Danach war Bax wieder gegangen; sie hatte geduscht und sich angezogen, sich auf wohlige Weise zerschlagen gefühlt, froh, noch einige Stunden für sich zu haben, enttäuscht, wenn Leo früher nach Hause gekommen war, als erwartet.
Doch mit der Zeit verschwand das Knistern zwischen ihnen. Sie wurde Zeuge, wie Karl Mesic starb, musste mit ansehen, wie Victor auf den Plan trat und zunehmend Einfluss auf Leo nahm, musste damit rechnen, alles zu verlieren. Auch wenn Bax anfänglich den Eindruck gemacht hatte, er sei unberechenbar — das hatte an seinem Job gelegen, an seinen illegalen Beziehungen zur Familie, an seiner Gier —, war er letzten Endes einfach nur schwach. Sie hatte seinen scharfen Verstand bewundert, seine analytischen Fähigkeiten, doch nach dem Tod des alten Mannes und mit Victors Erscheinen auf der Bildfläche
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