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Willkür

Willkür

Titel: Willkür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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schief in seinen Angeln hing und mit einem Vorhängeschloss versehen war. Oberhalb hatte der Doc Stacheldraht angebracht.
    Auch im Haus roch es nach Alkohol und Zigaretten, vermischt mit dem strengen Geruch nach Antiseptika. Eines der Zimmer war sauber, ausgestattet mit einem Medikamentenschrank, einem Operationstisch plus Lampe, Nierenschalen. Der Rest des Hauses glich seinem Bewohner: vom Leben gebeutelt und bemitleidenswert.
    Gemeinsam hievten sie Jardine auf den Operationstisch und Ounsted injizierte ein Schmerzmittel und ein Sedativum. »Das wird ihm erst mal helfen«, sagte er und für einen Moment kam der Arzt in ihm zum Vorschein. »Zuerst möchte ich einen Blick auf Sie werfen.«
    Wyatt setzte sich, damit Ounsted seine Kopfwunde untersuchen konnte. »Sie werden’s überleben: Bluterguss, leichte Schwellung und eine kleine Risswunde. Ein Schmerzmittel und Sie haben’s überstanden. Gönnen Sie sich einfach ein wenig Ruhe. Spannen Sie ein paar Tage aus.«
    »Ich hab noch etwas zu erledigen.«
    »Das hab ich mir schon gedacht«, sagte Ounsted, »ich hab das auch nur pro forma gesagt.«
    Dann machte er sich an Jardines Behandlung. Wyatt assistierte ihm dabei; erst musste das Blut entfernt werden, dann wurde die Wunde gereinigt und zum Schluss der Kopfverband anlegt. Es war ein Streifschuss gewesen und hatte Jardine oberhalb des rechten Ohrs einen regelrechten Schmiss beigebracht. »Nur ein paar Millimeter weiter rechts, und Ihr Freund wäre in einem anderen Zustand. Er muss ein paar Tage hier bleiben. Er hat Glück gehabt. Unglaublich, was ein Körper so aushält. Wenn ich daran denke, wie ... «
    Der Doc hatte offensichtlich ein Mitteilungsbedürfnis, doch Wyatt blendete ihn einfach aus. Er dachte über seine nächsten Schritte nach. Mit Kepler würde er anfangen, wenn auch nicht sofort. Das Syndikat lief ihm schließlich nicht davon. Als Erstes brauchte er Ruhe, eine Unterkunft für die Nacht. Als Ounsted endlich seinen Monolog beendet hatte, fragte Wyatt: »Was schulde ich Ihnen?«
    Ounsted schien die Schlingen seines Teppichbodens zu zählen. »Zweihundertfünfzig dürften genügen.«
    »Ich gebe Ihnen dreihundert«, sagte Wyatt, »dafür möchte ich heute Nacht hier schlafen können.«
    Ounsted sah ihn mit dem Blick des Mediziners an. »Weiser Entschluss. Sie sehen angeschlagen aus. Ich verabreiche Ihnen ein Schmerzmittel, dann können Sie besser schlafen.«
    »Keine Medikamente.«
    »Wie Sie wollen. Da drüben ist das Gästezimmer.«
    Ounsted führte Wyatt in ein kleines Zimmer, das auf die Straße hinausging. Zwei schmale Betten. Wyatt betrachtete sie. Das eine war so gut oder schlecht wie das andere. Er stand mitten im Raum und starrte Ounsted an. Dem Doc wurde es ungemütlich. »Das Bad ist am Ende des Flurs. Bis morgen«, sagte er und verließ das Zimmer.

    SECHSUNDDREIßIG

    Etwas hatte ihn geweckt, eine diffuse Veränderung, die in der Luft hing. Er lag auf dem Rücken, fühlte ein Prickeln auf der Haut und nun gingen auch seine Antennen auf Empfang.
    Er wusste, wo er war, und er spürte, dass es ihm besser ging, auch der Kopfschmerz war in den Hintergrund getreten. Es war niemand da, der eine Waffe auf ihn richtete, ihn mit einem Lichtstrahl blendete oder ihn anschrie, er solle sich auf den Boden legen. Alles war friedlich hier und doch wieder nicht.
    Er fühlte das Blut in seinen Adern pulsieren. Vielleicht war ihm einfach nur kalt, also zog er die Bettdecke bis unters Kinn. Die Bewegung setzte dem Schwanken zwischen Wachen und Schlafen ein Ende und er erinnerte sich, das Klingeln eines Telefons gehört zu haben, danach eine Stimme irgendwo in einem entlegenen Winkel des Hauses.
    Vermutlich verlaufen Ounsteds Nächte genau so, dachte Wyatt. Schlafrhythmen, unterbrochen durch Anrufe, um an irgendeinem Ort ein Leben zu retten oder jemandem einen Schuss zu setzen. Er sammelte sich, um die Geräuschkulisse zu filtern — die unverdächtigen Geräusche von Ounsted selbst, aus dem Haus und von der nächtlichen Straße —, um herauszufinden, was als Bodensatz übrig blieb.
    Ounsted war jetzt an der Eingangstür, dann hörte Wyatt, wie er zum Tor ging, das auf die Straße führte. Vor dem Fenster hingen Jalousien. Er bog zwei Lamellen auseinander, um hindurchsehen zu können: Ounsted in Hut und Mantel mit seinem Arztkoffer in der Hand. Er stieg in den alten Peugeot, warf den Motor an und schaltete die Scheinwerfer ein. Am Ende der Straße bog er nach rechts, danach war alles still.
    Wyatt legte sich

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