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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Freundlichkeit von einem Mann, der mich erwiesenermaßen nicht ausstehen konnte, gab mir zu denken.
    Bevor der Denkprozess zu einem konstruktiven Ergebnis gekommen war, rief Kratz zurück. Um elf Uhr könne es der Weihbischof einrichten, mich für etwa eine halbe Stunde zu empfangen. Ob ich die Güte hätte, um diese Zeit in das Bischofspalais zu kommen?
    Ich wunderte mich noch mehr, aber sollte ich deswegen den Termin sausen lassen? Schließlich war die Idee zu dem Gespräch meine eigene.
    Diesmal war ich pünktlich, und Kratz erwartete mich an der Pforte, um mich zum Arbeitszimmer des Weihbischofs zu bringen.
    Becker war in ähnlich aufgeräumter Stimmung wie sein Adlatus. Er reichte mir seine Pranke und führte mich eigenhändig zu dem Besuchersessel.
    »Ein wunderschöner Tag, nicht wahr? Man spürt förmlich, wie die Natur aus dem Winterschlaf erwacht.«
    »Ja ja, die Frühlingsgefühle«, seufzte ich.
    Er lachte leise. »Ich spreche nicht von fleischlichen Gelüsten, sondern von der Bewunderung für Gottes Schöpfung.«
    »Beides liegt manchmal dicht beieinander.«
    »Nun«, sagte er, als er hinter dem barocken Schreibtisch Platz genommen hatte, »was können wir für Sie tun?« Die kraftvolle Stimme klang so ölig-pastoral wie noch nie.
    In der Zwischenzeit hatte Kratz, die Sitzordnung unseres ersten Treffens wiederherstellend, seinen Katzenstuhl zur Seitenfront des Schreibtisches geschleppt.
    »Ich habe den Auftrag, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten«, begann ich. »Das Kommando Jan van Leiden bietet Ihnen einen Waffenstillstand an.«
    »Ach«, entfuhr es dem Weihbischof. Er kraulte sein drahtiges weißes Haar, das dadurch an einer Stelle keck emporragte. »Wie interessant. Was sagen Sie dazu, Kratz?«
    Der Monsignore lächelte maliziös. »Ich frage mich, warum wir darauf eingehen sollten.«
    »Er fragt sich, warum wir darauf eingehen sollten«, wiederholte Becker, als wäre ich schwerhörig. »Haben Sie eine Antwort, Herr Wilsberg?«
    »Konkret sieht der Vorschlag so aus: Es wird keine Anschläge mehr geben. Das Kommando Jan van Leiden verzichtet auf die geforderten 500.000 Mark. Im Gegenzug erklären Sie sich bereit, gegen die beiden inhaftierten Mitglieder des Kommandos und alle weiteren, die vielleicht namentlich bekannt werden, keine Anzeigen wegen Erpressung oder Beschädigung von Kircheneigentum zu stellen.«
    »Hoho«, machte Becker. »Ich will ganz offen zu Ihnen sein, Herr Wilsberg: Wir hatten nie vor, 500.000 Mark zu zahlen. Und was die Anschläge angeht, vertrauen wir der Staatsanwaltschaft, dass sie die richtigen Entscheidungen trifft.«
    »Wie kommt der Sinneswandel? Nach dem Anschlag auf die Bistumsbank haben Sie ganz anders geredet.«
    Der Weihbischof entblößte die Zähne und sah einem nachmittäglichen Talkmaster ähnlicher denn je. »Die Wege des Herrn sind verschlungen, wenn ich so sagen darf. In einer gewissen Phase waren wir geneigt, mit den sogenannten Wiedertäufern zu einer Einigung zu kommen. Jetzt sind wir es nicht mehr.«
    Damit hatte ich gerechnet. Es war an der Zeit, die Daumenschrauben anzuziehen. »Wie gesagt, ich bin nur ein neutraler Vermittler. Aber ich habe mitbekommen, dass es einige Dinge gibt, die, sollten sie publik werden, für die Kirche sehr unangenehm werden könnten.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Becker geradeheraus.
    »Zum Beispiel die Tatsache, dass das Originalgemälde von Lucas Drueger dem Jüngeren nie beschädigt wurde. In der Domkammer hing eine Kopie, als der Anschlag stattfand.«
    Die beiden Geistlichen guckten sich vielsagend an.
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Kratz.
    »Sagen wir, die Arbeitsmethoden eines Privatdetektivs sind oftmals genauso verschlungen wie die Wege des Herrn. Oder, um auf eine weitere Merkwürdigkeit hinzuweisen: Ganz offensichtlich war die Polizei darüber informiert, dass das Kommando Jan van Leiden den Verkehr am Ludgeriplatz lahmlegen wollte. Anders ist nicht zu erklären, dass sie bereits zwei Minuten nach Beginn der Aktion am Tatort war. Und damit komme ich zum Hauptverdacht: Innerhalb des Kommandos gibt es einen Maulwurf, der in Wirklichkeit für Sie arbeitet.«
    »Das ist ja ungeheuerlich«, brauste Becker auf.
    »Ist es das? Sie sind doch ein Wiedertäuferexperte, Herr Weihbischof. Sie hätten die Systematik der Anschläge längst durchschauen können.«
    Leichte Unsicherheit glomm in seinen Augen. »Welche Systematik?«
    »Art und Zeitpunkt der Anschläge richteten sich nach den Taten der alten Wiedertäufer. Am 22.

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