Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
sagte er in meine Richtung: »Ich krieg dich am Arsch, Wilsberg. Ich schwöre dir, du kommst erst wieder raus, wenn Helmut Kohl nicht mehr Bundeskanzler ist. Und das kann sehr, sehr lange dauern.«
Er meinte es offensichtlich ernst.
»Ehrlich, ich gehöre nicht zum Kommando Jan van Leiden. Ich erzähle dir jetzt die ganze Geschichte. Du kannst sie mir glauben oder nicht.« Und ich begann bei der Geldübergabe im Elefantenhaus, wobei ich die Rolle des Geldabholers und Porschefahrers einem etwa dreißigjährigen, blonden Mann zuschob. Nach der Episode in dem Angelmodder Haus, so die bereinigte Kurzfassung der tatsächlichen Ereignisse, habe der Kontakt im Wesentlichen aus Briefen und Telefonaten bestanden. Selbstverständlich erwähnte ich weder Mareike noch Martin, Professor Rasch oder Tobias Frank.
Stürzenbecher hatte mir aufmerksam zugehört. Nach einer Weile sagte er: »Ist das alles?«
»Nein. Meiner Meinung nach gibt es in den Reihen der Wiedertäufer einen Maulwurf, der für die Bistumsspitze arbeitet.«
»Wie kommst du darauf?«
Natürlich litt die Glaubwürdigkeit meiner Beweisführung darunter, dass ich alles selbst herausgefunden haben wollte. Stürzenbechers undurchdringlicher Gesichtsausdruck gab keine Auskunft, ob er den Köder gefressen hatte.
»Ich hoffe, dir ist klar, wie sehr du dich in den Schlamassel geritten hast. Da kann selbst ich dir nicht raushelfen.«
»Ich habe mich als Vermittler gefühlt. Mein Ziel war, eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern.«
»Tut mir leid. Ich muss einen Haftbeschluss für dich beantragen. Alles andere würde meine Pension gefährden.«
Er war aufgestanden und wanderte unruhig zwischen den Schreibtischen auf und ab. »In der Nacht vor dem Anschlag am Ludgeriplatz haben wir einen anonymen Anruf erhalten. Und ich gebe zu, dass sich der Weihbischof sehr merkwürdig verhalten hat. Aber was soll ich machen? Wenn ich dem Kriminalrat erzähle, dass ich meine Ermittlungen auf die Leitung des Bistums Münster ausdehnen möchte, verkriecht er sich vor Schreck unter seinem Schreibtisch.«
»Gib mir drei Tage, und ich liefere dir einen Beweis.«
»Unmöglich.«
»Du kriegst den Hauptverdächtigen auf einem silbernen Tablett.«
»Das würde mich Kopf und Kragen kosten.«
»Verdammt noch mal, Stürzenbecher, es geht nicht nur um dich oder mich. Eine Menge Lebensperspektiven stehen auf der Kippe. Das Kommando Jan van Leiden besteht aus lauter jungen, verblendeten, irregeleiteten Idealisten. Das sind keine hartgesottenen Verbrecher. Wenn es mir gelingt zu beweisen, dass der Weihbischof seine Finger im Spiel hat, wird die Kirche alles tun, um einen Skandal zu vermeiden. Das heißt, es wird keinen Prozess wegen Erpressung oder Beschädigung von Kircheneigentum geben.«
Als Stürzenbecher mich zur Tür brachte, murmelte er: »Ich weiß nicht, warum ich das tue. Ich muss verrückt sein.«
Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Wir spielen alle mit hohem Einsatz.«
»Ach, übrigens«, sagte er mit gepresster Stimme, »das Foto stammt nicht von einem Polizeifotografen. Wir haben es heute morgen per Post bekommen. Ebenfalls anonym. Hilft dir das weiter?«
Und ob mir das weiterhalf!
XVII
Das Ferienhäuschen in Ottmarsbocholt stand einsam und verlassen auf der großen Rasenfläche zwischen den anderen Ferienhäuschen. Ein Reh trabte aus dem Wald, hob die Nase witternd in den Wind und verschwand wieder im Dickicht. Fehlte nur noch, dass zwei Füchse auftraten und sich Gutenacht sagten.
Ich saß in meinem Auto und fror vor mich hin. Das vereinbarte Treffen fand ganz offensichtlich nicht in Ottmarsbocholt statt. Und irgendjemand hatte vergessen, mir den neuen Tagungsort mitzuteilen.
Ich drückte einen Zigarillostummel im Aschenbecher aus. Die Verlegung ließ sich ziemlich leicht erklären: Die Wiedertäufer mussten von meiner Verhaftung erfahren haben, woher oder von wem auch immer. Jedenfalls hatte ich lange genug gewartet.
Auf dem Parkplatz vor dem Kloster Rosmalen stellte ich den Wagen ab. Die Klostermauern ragten drohend in den wolkenverhangenen Himmel. Kein Lichtschein, keine Gespräche, nicht einmal gregorianische Choräle drangen durch die Fensteröffnungen des Gemäuers. Das Nachtleben im Kloster hatte den Unterhaltungswert einer Liveübertragung aus dem Bundestag.
Es dauerte fünf Minuten, bis mein Klingeln an der Pforte eine Reaktion hervorrief. Eine Klappe in Augenhöhe öffnete sich, und in dem Rechteck erschien ein verhärmtes, von einem Bart umrahmtes
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