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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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kleine Bauernhöfe, lustige Trecker und springende Pferde gehabt, wenn ihm danach gewesen wäre.
    Aber ihm war nicht danach. Missmutig las er in einer Stuntman-Fachzeitschrift mit dem Titel Safety first und senkte das Blatt erst, nachdem ich zehn Sekunden schweigend an seinem Bett verharrt hatte.
    »Ach, Sie!«, sagte er. »Was wollen Sie hier?«
    Ich legte die aus dem Kiosk im Eingangsbereich mitgebrachte Pralinenschachtel auf seiner Nachtkonsole ab. »Mit Ihnen reden.«
    »Worüber?«
    »Über den Unfall.«
    »Was gibt es da zu reden? Verdammtes Pech. Oder Blödheit, ganz wie Sie wollen. Konnte ja keiner damit rechnen, dass der Tank voller Benzin ist.«
    »Haben Sie nicht auf die Tankanzeige geschaut, bevor Sie losfuhren?«
    »Ich könnte mich selbst in den ...« Ihm wurde bewusst, dass sein Bettnachbar, ein älterer Herr, der schmatzend eine Birne verzehrte, aufmerksam zuhörte. »... beißen, dass ich’s nicht getan habe. Aber, wie meine amerikanischen Kollegen sagen: It’s a fucking experience, but you must get it .«
    Ich zog einen Stuhl ans Bett und machte es mir so bequem, wie das in Krankenhäusern eben möglich ist.
    »1943, als wir in der Normandie lagen, ist mal was Ähnliches passiert«, sagte der ältere Herr im Nachbarbett.
    »Kurt, bitte, jetzt nicht!«, stoppte Nick die beginnende Erzählung.
    »Ich mein ja nur.« Kurt lutschte den Birnenstängel sorgfältig ab und legte ihn dann auf das Nachttischchen.
    »Ich weiß«, sagte Nick mürrisch. »Du hast es mir gestern schon erzählt. Und heute Morgen.«
    »Aber der Herr ...«
    »Der Herr will die Geschichte auch nicht hören.«
    »Später vielleicht«, lächelte ich zu Kurt hinüber. »Jetzt möchte ich erst noch ein paar Takte mit Nick reden.«
    »Natürlich. Hab ich vollstes Verständnis für.« Kurt zog eine Zeitung aus der Schublade und tat so, als würde er lesen.
    »Sie glauben also nicht, dass jemand das absichtlich gemacht hat?«, fragte ich Nick.
    »Wer denn?«
    »Keine Ahnung. Aber es war der zweite merkwürdige Unfall innerhalb von drei Tagen. Ein bisschen viel Zufall, finden Sie nicht?«
    Nick schaute mich mit leeren Hundeaugen an. »Ich hab niemandem was getan. Wer sollte mich umbringen wollen?«
    »Vielleicht möchte jemand verhindern, dass der Film fertig wird. Da ist noch etwas, das mir aufgefallen ist: der Motor fing sofort Feuer. Als ob er präpariert worden sei.«
    Kurt raschelte mit der Zeitung, und Nick dachte nach. »Das stimmt«, sagte er schließlich, »jetzt, wo Sie’s sagen.«
    Karl-Heinz Becher lag in dem anderen Bettenturm, was bedeutete, dass ich mit dem Lift hinunterfahren, durch einen endlos langen Gang gehen und mit einem anderen Lift wieder hinauffahren musste. Unterwegs fühlte ich mich von Sekunde zu Sekunde kränker. Ich schob das auf die ungesunde Klimaanlagenluft.
    Becher lag erster Klasse, das heißt, er hatte ein Zimmer für sich allein. Auch wenn er im Moment nicht allein war, sondern mit einer sorgfältig frisierten, sorgfältig geschminkten und sorgfältig gekleideten dunkelbraunhaarigen Schönheit Händchen hielt.
    Er begrüßte mich mit improvisiertem Schreck: »Hilfe! Hilfe! Da kommt er schon wieder! Womit versucht er’s diesmal? Mit dem Messer? Oder mit dem Strick?«
    Ich schüttelte seine Hand. »Freut mich, dass es mit Ihnen wieder aufwärtsgeht.«
    »Oh ja. Ich habe meinem Agenten gesagt, dass ich darauf brenne, einen Rollstuhlfahrer zu spielen.«
    Die Frau an seiner Seite schüttelte mit leichter Missbilligung ihre seidigen Locken.
    »Maria, meine Frau«, stellte er vor.
    Fünf manikürte, zartgliedrige Finger kamen mir entgegen. Ich bemühte mich, ihre überlangen Fingernägel nicht zu zerkratzen.
    »Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, wie leid es mir tut«, wandte ich mich an den Schauspieler.
    »Schon vergeben.« Er küsste die Hand, die sich mir schnell wieder entzogen hatte. »Nicht wahr, Maria? Wir sind ihm doch nicht mehr böse?«
    »Ich kann nicht begreifen, wie so etwas geschehen konnte«, teilte Maria mit.
    »Nur gut, dass er die Szene versaut hat«, sagte Becher albern. »Wenn er sich an die Anweisungen von Rommersberger gehalten hätte, ständen jetzt ein paar Kerzen um mich herum.«
    Maria gab ihm einen Klaps. »Das ist überhaupt nicht witzig.«
    Fand ich auch. Und außerdem sagte ich den beiden, dass ich gern mit Becher unter vier Augen reden würde.
    »Tu, was er sagt!«, flüsterte Becher theatralisch. »Und wenn du in einer Stunde kein Lebenszeichen von mir empfängst, ruf die

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