Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
dokumentierten, dass die latente Gewaltbereitschaft jugendlicher Arbeitsloser nicht gesunken war.
    Drei Tage ohne jede Zirkulation hatten der Luft in meinem Büro nicht gut getan. Ein miefiger Fäulnisgeruch, dessen Ursache ich schon lange mal erforschen wollte, hing wie der Fluch eines Pharaonengrabes über den Möbeln. Ich hastete zu den Fenstern und riss sie auf. Das Ozon des nach wie vor trockenheißen Sommers wirkte wie eine frische Munddusche.
    Dann blätterte ich die Post durch. Das schlecht kopierte Angebot eines PI (wie Private Investigator )-Discount-Versandes, das sagenhaft günstige Wanzen aus KGB-Beständen anpries, eine Mitteilung von Klaus, dass die Disco, wegen der geringen Nachfrage, bis auf Weiteres nur noch an drei Tagen in der Woche geöffnet sein würde (ob da wohl ein Zusammenhang mit Frau Herzogs blauem Auge bestand, schließlich brachte sie zukünftig weniger Geld nach Hause?), die Anfrage eines Kerzenfabrikanten aus Nordwalde, der wissen wollte, wie teuer es werde, einen kleptomanen Angestellten ausfindig zu machen, und ein Schreiben von Herrn Reichardt, der dringend um einen Zwischenbericht in seiner Angelegenheit bat.
    Als Erstes beantwortete ich den Brief des Kerzenfabrikanten. Ich veranschlagte die Tagessätze für zwei Wochen Observation plus Erfolgsprämie. In solchen Fällen genügt in der Regel die kleine, aber wirkungsvolle Natriumsulfat-Falle. Das heißt, ein Geldschein (oder was auch immer der Dieb klaut) wird chemisch behandelt und verfänglich, aber nicht allzu auffällig platziert. Hat der Dieb den Gegenstand angefasst, entwickeln sich nach wenigen Stunden hässliche schwarze Flecken an den Fingerkuppen, die auch durch heftigstes Waschen nicht zu entfernen sind und mindestens zwei Wochen sichtbar bleiben. Eine einfache Methode, die wir Privatdetektive anwenden, nachdem wir unsere Auftraggeber ein bisschen geschröpft haben.
    Während der Matrixdrucker meines 286er PCs die Antwort aufs Papier nadelte, wendete ich mich bereits, die Wunder der Technik ausnutzend, in einer anderen Datei Herrn Reichardt zu. Ich betonte meinen selbstlosen Einsatz (im Kangooroo) und verwies auf die erfreulichen Zwischenergebnisse, die die Rundumüberwachung der Zielperson bereits erbracht habe. Sozusagen als Appetizer legte ich zwei im Kangooroo geschossene Fotos bei, um abschließend das Yvonne endgültig kompromittierende Foto für die nächste Zukunft anzukündigen.
    Ich tütete die Briefe ein, klebte Briefmarken drauf und hörte mir dabei an, was der Anrufbeantworter zu sagen hatte. Nicht, dass ich besonders neugierig gewesen wäre. Das dreifache Blinken übersetzte ich mit einem dreifach nervösen Zeigefinger von Frau Schulze Büschen.
    Tatsächlich hatte sie nur zweimal angerufen und mit vor Gram gebrochener Stimme gefragt, ob mir bei meinen nächtlichen Streifzügen zwischen Gimbte und Gelmer ihr geliebter Schimmy ins Blickfeld geraten sei. Der dritte Anruf kam von Herrn Reichardt, der sich erkundigte, warum ich seine Briefe nicht beantwortete.
    Ich rief Frau Schulze Büschen an, legte die Entbehrungen von mehreren Feld-, Wald- und Wiesennächten in meinen Tonfall, erzählte malerisch von einer mitternächtlichen Begegnung, bei der ein schwarz-weiß geflecktes Felltier (vermutlich ein Bobtail) nur wenige hundert Meter von mir entfernt unter einer einsamen Eiche gestanden habe, sich dann allerdings unerklärlicherweise in Luft auflöste, nachdem ich in rasendem Tempo bis zu der Eiche vorgedrungen sei.
    »Sie dürfen ihn nicht erschrecken. Sie müssen ganz vorsichtig sein«, sagte sie an dieser Stelle.
    Ich versprach, mich in dem Punkt zu bessern, und kündigte eine weitere Rechnung an, was sie wortlos hinnahm.
    Dann beendete ich die Büroarbeit für diesen Tag und fuhr zur Uni-Klinik.
    Angesichts des eklatanten Hochhausmangels in Münster gelten die Doppeltürme der Uni-Klinik als so etwas wie das moderne Wahrzeichen der Stadt. Gleich hinter dem Coesfelder Kreuz (das seinen Namen übrigens nicht von der großen Straßenkreuzung hat, wie ich früher irrtümlich meinte, sondern von dem an der Kreuzung befindlichen Kreuz) ragen sie in den selten blauen münsterschen Himmel. Hat man jedoch erst einmal die Eingangstür zu einem der beiden Bettentürme durchschritten, ist es genauso ungemütlich wie in jedem anderen Krankenhaus der Welt.
    Nick, der Stuntman, lag im neunzehnten Stock direkt hinter einem Panoramafenster. Von hier aus hätte er einen hervorragenden Überblick über das brache Land, über

Weitere Kostenlose Bücher