Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
der SPD neu zu verhandeln. Dabei kommt ohnehin nicht viel herum. Letztlich wird die SPD das Kappenstein-Projekt mit der CDU durchziehen. Ich hoffe nur, dass es darüber nicht zum Bruch der Koalition kommt. Ich möchte nämlich in der Verwaltung nicht isoliert werden.«
Rausch hielt auf dem Parkplatz vor dem Bürgerzentrum. »Tun Sie mir einen Gefallen!«
Ich schaute sie an.
»Erzählen Sie niemandem, dass ich Sie als Leibwächter engagiert habe! Das könnte auf einige komisch wirken. Spielen Sie einfach den politisch interessierten Bürger!«
»Ich werde mir Mühe geben.«
Wir gingen zum Eingang des modernen Mehrzweckgebäudes.
»Wer gehört eigentlich, außer Ihnen, zu den Befürwortern des Kappenstein-Projekts?«
»In der Ratsfraktion?«
»Ja.«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Wenn Ihre Theorie richtig ist, dass es der Killer auf Kappenstein-Anhänger abgesehen hat, gehören sie zu den potenziellen Opfern.«
»Natürlich. Daran habe ich gar nicht gedacht.« In der spiegelnden Tür kontrollierte die Kämmerin den Sitz ihrer Frisur. »Es sind nur noch zwei übrig: Conny Guttweller und Dirk Holthausen.«
»Conny Guttweller?«
»Sie kennen sie?« Jutta Rausch grinste. »Sie werden ja verlegen.«
Vor einigen Jahren hatte ich mit Conny eine kurze Affäre gehabt. Mehr oder weniger war das von ihrer Seite die Rache dafür gewesen, dass ihr Ehemann fremdging. Aber über Politik hatten wir nie gesprochen.
Etwa fünfzig Grüne hatten sich im Konferenzraum II versammelt, in dem man leicht hätte schneeblind werden können. Nicht nur die Wände, die Decke und das Licht waren schmucklos weiß, auch die zwei parallelen Tischreihen, die die Längsachse des Raumes durchmaßen, glänzten kunststoff-farblos. Einige Anwesende waren in die Lektüre von Flugblättern und Papieren vertieft, die haufenweise auf den Tischen herumlagen, die meisten standen plaudernd in kleinen Grüppchen zusammen. Viele Gesichter kamen mir bekannt vor, aber das war in Münster, wo jeder jedem dauernd über den Weg läuft, nicht weiter verwunderlich.
Ich machte mich auf die Suche nach Conny. Schließlich entdeckte ich sie in einer Vierergruppe.
»Hallo, Conny!«
Sie lief puterrot an und zog mich ein paar Schritte zur Seite. »Georg, das ist aber eine Überraschung! Was machst du denn hier?«
»Ich dachte, auf meine alten Tage könnte ich mich noch mal politisch engagieren.«
»Bist du bei uns Mitglied geworden?«
»Noch nicht. Wie ich hörte, sitzt du im Stadtrat.«
»Schon seit drei Jahren.«
»Die Kommunalpolitik ist ziemlich an mir vorbeigelaufen«, entschuldigte ich meine Unkenntnis. »Ich muss mit dir reden, Conny.«
Sie verzog den Mund zu einem wehmütigen Lächeln. »Ich habe jetzt zwei Kinder. Wir sind so etwas wie eine glückliche Familie.«
»Die will ich gar nicht gefährden. Mein Anliegen ist mehr beruflich: das Kappenstein-Projekt.«
» Du bist in das Kappenstein-Projekt involviert?«
»Indirekt. Ich bin Privatdetektiv, wie du weißt. Und ich habe einen Auftrag, der … nun …« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Es geht um Hennekamp und Dietzelbach.«
Sie nickte. »Komm morgen Nachmittag um drei vorbei! Unsere Wohnung kennst du ja.«
»Es tut mir leid, Conny!«
»Muss es nicht. Ich war im ersten Moment ein bisschen überrascht, aber eigentlich finde ich es ganz schön, mal wieder mit dir zu quatschen.«
Ich sagte ihr, dass ich das auch fände. Und dann bat ich sie, mir Dirk Holthausen zu zeigen.
»Er stand vorhin neben mir.« Sie zeigte auf einen Mann in Motorradlederjacke, der sein grauschwarzes Haar als Afrokrause trug. Holthausen und die anderen beiden taten so, als seien sie in ein Gespräch vertieft, schielten dabei aber unentwegt in unsere Richtung.
»Darf ich euch bitten, euch hinzusetzen!«, rief ein schlaksiger Jüngling, der hinter zwei quer gestellten Tischen an der Stirnseite des Raumes Aufstellung genommen hatte. »Wir wollen anfangen.«
Der Jüngling und zwei Frauen, die ihn umrahmten, leiteten die Sitzung. Offensichtlich gehörten sie zum Vorstand der münsterschen Grünen.
Zunächst wurde eine Schweigeminute für die beiden ermordeten Mitglieder eingelegt. Dann verlas eine der Vorstandsfrauen mit schleppender Stimme jede Menge Termine, die wichtig seien und die das zahlreiche Erscheinen der Anwesenden erforderten. Eine Demo gegen das Atommülllager in Ahaus war ebenso dabei wie ein Aktionstag gegen eine geplante Müllverbrennungsanlage und ein Kongress Ökologisches Bauen . Als sie
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