Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
bringen.«
Seine Augen wanderten unruhig hin und her, sodass ich das Gefühl bekam, hinter meinem Rücken würden sich gerade furchtbar interessante Dinge abspielen.
»Ich gebe Ihnen eines unserer schönsten Zimmer«, raunte er mir zu. »Nummer 17 für Herrn Wilsberg!« Das galt der Frau an der Rezeption. Und wieder zu mir: »Im Gourmet-Restaurant sind Sie selbstverständlich Gast des Hauses. Und falls Sie etwas brauchen ...«
Ich sagte, dass ich das sehr zu schätzen wüsste.
Nummer 17 lag im ersten Stock mit Blick auf die Gräfte, eine weitere Garteninsel und eine vom Pferd fallende Amazone in Stein.
Ich packte meine wenigen Sachen in den rustikalen Eichenschrank, probierte das ebenfalls rustikale Eichenbett aus, checkte den Fernseher, nahm eine Dusche, cremte meine trockene Haut ein und entschied dann, dass es an der Zeit war, van Luydens Angebot zu testen.
Das Gourmet-Restaurant hatte eine Außenterrasse direkt an der Gräfte. Ich bestellte Entenbrust mit gefüllten Nudeln neben Gemüse und zum Dessert Erdbeeren an geeister Dickmilch. Beides entsprach durchaus meinen Vorstellungen und ich war kurze Zeit versucht, Franka anzurufen und ihr von meinen Arbeitsbedingungen zu erzählen. In Anbetracht ihrer ohnehin angeschlagenen Arbeitsmoral ließ ich es bleiben, womöglich hätte sie das alles völlig missverstanden und mir mit einer Diskussion über den Supermarkt-Job die Stimmung verdorben.
Nach dem Espresso setzte ich einen Zigarillo in Brand und drehte eine Runde durch den Schlosspark. Ich hatte nicht die Absicht, die Nächte hinter feuchten Büschen zu verbringen, um den jugendlichen Steinschleuderern aufzulauern. Nach meiner Berufsauffassung war Detektivarbeit eine geistige Tätigkeit, und obwohl ich nicht einmal den Ansatz einer Spur hatte, glaubte ich doch, dass es in einer Kleinstadt wie Disselburg nicht allzu schwer sein durfte, die Täter ausfindig zu machen. Sollte ich dafür ein paar Tage länger brauchen – auch kein Problem. Vierhundert Mark pro Tag und das Zimmer im Schlosshotel waren gute Argumente, den Tätern etwas Vorsprung zu gönnen.
Die Dämmerung hatte eingesetzt und ein paar bis zum Kragen mit Nektar abgefüllte Hummeln taumelten durch die letzten Sonnenstrahlen.
Ich trat den Rückweg zum Hotel an und beobachtete, wie ein junger Mann aus dem großen runden Turm des Schlosses trat. Er schlurfte langsam zu der englischen Garteninsel, hockte sich vor einem Reiterstandbild auf den Kiesweg und spielte gedankenverloren mit den roten Steinen. Aus seinem ganzen Gehabe war erkennbar, dass er kein Besucher war, sondern sich im Schloss zu Hause fühlte. Trotzdem wirkte er in der noblen Atmosphäre merkwürdig deplatziert. Gekleidet in eine alte Jeans und ein verblasstes Sweatshirt, mit langem Bart und noch längerem Haupthaar sah er nicht aus wie der zukünftige Schlossherr von Disselburg. Eher wie ein Übriggebliebener von Woodstock.
III
Ich schlief gut, traumlos und lange. Nach einem reichhaltigen Frühstück fühlte ich mich in der Lage, mit der Arbeit zu beginnen. Zu diesem Zweck suchte ich Tonio van Luyden in seinem Büro auf. Der Hoteldirektor legte die Zeitung, in der er geblättert hatte, zur Seite, streckte mir sein breites, frisch mit Rasierwasser eingesprenkeltes Gesicht entgegen und bekundete seine Bereitschaft, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Zur Einstimmung begann ich mit unverfänglichen Fragen. Ob er eine Idee habe, wer hinter den Anschlägen stecke, und ob es jemanden im Ort gebe, den sich der Graf zum Feind gemacht habe.
Wie zu erwarten, gaben die Antworten nicht viel her. Nein, er habe keine Idee, und nein, der Graf sei in Disselburg und Umgebung ein ungemein beliebter Mann.
»Hat der Graf eigentlich Kinder?«
»Ja. Das gräfliche Paar hat zwei erwachsene Kinder.«
»Und die wohnen im Schloss?«
»Nein. Wilhelm, der Sohn, ist Jurist und arbeitet in der Führungsebene eines großen Versicherungsunternehmens.«
Das erklärte die Großzügigkeit der Versicherung, aber nicht den nachtwandelnden Späthippie.
»Und die Tochter Anke«, van Luyden zögerte einen Moment, »besitzt einen Laden in Disselburg.«
»Einen Laden?«
»Für Möbeldesign. Sie hat sich nach dem Abitur entschieden, einen praktischen Beruf zu erlernen, und eine Tischlerlehre gemacht.«
»Sie meinen, sie stellt die Möbel selbst her?«
»So ist es, Herr Wilsberg. Es soll sich um hochwertige Objekte handeln«, fügte er rasch hinzu. »Ihre Stücke sind sehr begehrt.«
»Aber der Graf ist
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