Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
kam ganz schön außer Atem, aber ich dachte an ihn und achtete kaum darauf, wohin ich lief. Dann bin ich über irgendwas gestolpert und stürzte kopfüber – über den Rand der Welt, so kam es mir vor. Ich knallte ein paarmal gegen etwas – wie Holzbalken fühlte es sich an, und schließlich schlug ich irgendwo auf. Ich war natürlich vollkommen weg. Jedenfalls, als ich dann wieder zu mir kam, sah ich, daß ich auf dem Grund von irgend etwas sehr Tiefem lag, denn ringsum erhoben sich schwarze Wände, und über mir war ein Stückchen Sternenhimmel zu sehen. Ich habe ganz vorsichtig um mich herumgetastet und dann aufzustehen versucht, aber kaum war ich auf den Beinen, wurde mir übel und schwindlig, und ich verlor wieder das Bewußtsein. Ich weiß nicht, wie lange es dann diesmal gedauert hat. Es müssen jedenfalls etliche Stunden gewesen sein, denn als ich zu mir kam, war es heller Tag, und jetzt konnte ich auch sehen, wo ich war.»
«In einem der alten Schächte, wie?»
«Ja. Mein Gott, war das ein Ort! Ich glaube nicht, daß er mehr als zwölf Meter tief war, aber mir hat’s gereicht. Senkrechte Wände, wie ein Kamin, und ganz oben ein Fleckchen Licht, das aussah, als wär’s eine Meile weit weg. Zum Glück war der Schacht sehr schmal. Wenn ich Arme und Beine spreizte, konnte ich mich gegen die Wände stemmen und mich zentimeterweise hochschieben, aber es ging langsam voran, und mir war so schwindlig im Kopf, und meine Beine waren so schwach, daß ich bei den ersten zwei, drei Versuchen einfach wieder abgestürzt bin. Ich hab gerufen und gebrüllt, in der sinnlosen Hoffnung, daß mich einer hören könnte, aber es war so still wie im Grab. Ich hatte ja noch unwahrscheinliches Glück gehabt, daß ich mir keinen Arm oder ein Bein gebrochen hatte, sonst läge ich wahrscheinlich jetzt noch dort.»
«Nein», sagte der Polizeichef. «Am Freitag oder Samstag hätten wir Sie rausgeholt.»
«Ha! – bis dahin wäre ich wahrscheinlich nicht mehr imstande gewesen, mir noch etwas daraus zu machen. Na ja, nachdem ich mich ein wenig länger ausgeruht hatte, war ich dann wieder so weit Herr meines Kopfes und meiner Beine, daß ich mich nach und nach hocharbeiten konnte. Es ging langsam, denn die Wände waren sehr glatt und gaben Füßen und Händen nicht viel Halt, und manchmal bin ich einfach ausgeglitten und wieder ein Stückchen hinuntergerutscht. Zum Glück standen da und dort ein paar Querbalken aus den Wänden heraus, und wenn ich die zu fassen bekam, konnte ich ein wenig verschnaufen. Und immerzu hab ich gehofft, die Leute von der Farm würden mein Auto sehen und nach mir suchen kommen, aber wenn sie es gesehen haben, müssen sie gedacht haben, ich sei irgendwo beim Angeln oder Picknick, und haben nicht weiter darauf geachtet. Ich hab mich förmlich mit den Fingernägeln emporgearbeitet – zum Glück bin ich ja groß und einigermaßen kräftig – und endlich – mein Gott, war das eine Wohltat! – war ich oben und konnte mich mit einer Hand schon mal am wunderschönen Gras festhalten. Es war noch ein schwerer Kampf auf dem letzten Meter – ich hab schon gedacht, ich komme nie mehr über den Rand –, aber irgendwie hab ich’s dann doch geschafft. Ich hab die Beine hinter mir herausgezogen, die sich anfühlten wie aus massivem Blei, und dann hab ich mich nur noch herumgewälzt und keuchend dagelegen. Puh!»
Strachan hielt inne, und der Polizeipräsident gratulierte ihm.
«Also, ich hab dort eine Weile gelegen. Es war ein prächtiger Tag mit viel Wind und Sonne, und ich kann Ihnen sagen, ich fand die Welt eine Zeitlang wunderschön. Ich habe gebibbert wie ein Wackelpudding, und Hunger und Durst hatte ich – beim Zeus!»
«Was glauben Sie, um wieviel Uhr das war?»
«Das weiß ich nicht genau, weil meine Uhr stehengeblieben war. Es ist eine Armbanduhr, und sie muß bei dem Sturz etwas abbekommen haben. Ich habe mich etwas ausgeruht – vielleicht eine halbe Stunde – und mich dann hochgerappelt und festzustellen versucht, wo ich mich befand. Diese Minen verteilen sich ja über ein recht großes Gelände, und ich kannte die Stelle nicht. Bald hab ich dann jedenfalls einen Bach gefunden und konnte etwas trinken und mal den Kopf ins Wasser stecken. Danach war mir wohler, nur entdeckte ich dabei auch, daß ich mir ein prächtiges Veilchen zugezogen hatte, als Farren mir ins Gesicht schlug, und natürlich hatte ich Prellungen und Abschürfungen von Kopf bis Fuß. Am Hinterkopf hab ich immer noch eine Beule so
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