Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
schon früher gehört habe.»
«So? Haben Sie nicht angenommen, daß Campbell ihn gefunden und vernichtet haben könnte?»
«Zuerst schon», sagte Strachan. «Darum habe ich ja auch das Theater wegen Montag abend für so unnötig gehalten. Wenn Campbell nach Hause gekommen ist, nachdem ich dort war, dann hat er noch gelebt, lange nachdem ich ihn zuletzt gesehen hatte. Er hat ja noch gefrühstückt, oder? Wenigstens habe ich das so verstanden – und da habe ich eben angenommen, daß er den Zettel gefunden und irgendwie vernichtet hatte.»
«Jetzt glauben Sie das aber nicht mehr?»
«Sehen Sie, wenn Sie den Zettel haben, hat er ihn ja offenbar nicht vernichtet. Und wenn Sie ihn bei seiner Leiche gefunden hätten, würden Sie es gewiß schon früher erwähnt haben.»
«Ich habe ja nicht gesagt», erklärte Sir Maxwell geduldig, «wann wir in den Besitz des Zettels gekommen sind.»
Aus irgendeinem Grund schien diese Bemerkung Strachan zu entnerven. Er schwieg.
«Also, nun», sagte der Polizeichef, «würden Sie mir jetzt bitte sagen, was auf dem Zettel stand? Sie hatten ja Zeit genug, darüber nachzudenken.»
«Etwas zu erfinden, meinen Sie? Nein, ich werde mir nichts zusammenreimen, aber ich bekomme es natürlich nicht mehr Wort für Wort zusammen. Ich glaube, ich habe so etwas geschrieben wie: ‹Lieber Campbell, ich bin in großer Sorge um F. Er ist ziemlich aufgedreht und droht, Ihnen etwas anzutun. So sehr er Grund haben mag, sich über Ihr Verhalten zu beklagen – und darüber wissen Sie ja am besten Bescheid –, halte ich es für besser, Sie vor ihm zu warnen.› So ähnlich war es, und unterzeichnet habe ich mit meinen Initialen.»
«Sie haben es also für angezeigt gehalten, diese Mitteilung über einen Freund von Ihnen an einen Mann zu schreiben, den Sie persönlich nicht mochten – und dann sagen Sie immer noch, Sie hätten Farrens Drohungen nicht ernst genommen?»
«Nun, man weiß ja nie. Ich habe mehr an Farren als an Campbell gedacht. Ich wollte nicht, daß er sich in Schwierigkeiten brachte – eine Anzeige wegen tätlichen Angriffs oder so etwas.»
«Immerhin erscheint mir dieser Schritt doch sehr weitgehend, Mr. Strachan. Wie oft hat Farren denn ernsthaft gedroht, Campbell etwas anzutun?»
«Er hat sich mitunter ein wenig verwegen ausgedrückt.»
«Hat er ihn je angegriffen?»
«N-nein. Es hat mal ein kleines Theater gegeben –»
«Ich glaube mich zu erinnern, einmal etwas von einem Streit gehört zu haben – vor etwa einem halben Jahr, nicht wahr?»
«So ungefähr. Aber das hat sich im Sande verlaufen.»
«Jedenfalls hielten Sie aber die Sache für wichtig genug, diese Warnung an einen Mann zu schreiben, der so notorisch taktlos und launisch ist wie Campbell. Das spricht doch für sich selbst, nicht wahr? Wie ging es dann weiter?»
«Ich bin mit meinem Wagen nach Creetown gefahren und auf die Straße in die Berge abgebogen. Kurz hinter Falbae, wo die Straße endet, habe ich den Wagen stehen lassen und bin zu Fuß weitergegangen, wobei ich immerzu nach Farren gerufen habe. Es stand kein Mond am Himmel, aber die Sterne schienen hell, und eine Taschenlampe hatte ich auch bei mir. Ich kenne diesen Weg ziemlich gut. Eigentlich ist es ja nicht einmal ein Weg, sondern nur ein Hirtenpfad. Als ich in die Nähe der alten Minen kam, habe ich dann sorgfältig zu suchen angefangen. Bald glaubte ich eine Bewegung zu sehen und habe wieder gerufen. Dann sah ich, daß da wirklich ein Mann war. Er lief weg, aber ich bin hinterhergelaufen und hab ihn eingeholt. ‹Mensch, Farren, bist du das?› hab ich gerufen, und er: ‹Zum Teufel, was willst du?› Da hab ich ihn dann gepackt.»
«Und es war Farren?»
Strachan schien wieder zu zögern, antwortete dann aber schließlich: «Ja, er war’s.»
«Und?»
«Nun, ich habe eine Weile auf ihn eingeredet und ihn zu überreden versucht, wieder mit nach Hause zu kommen. Er hat sich rundweg geweigert und wollte wieder weglaufen. Ich hab ihn am Arm gepackt, aber er hat mit mir gekämpft und mich in dem Durcheinander mit einem Schlag ins Gesicht niedergeschlagen. Bis ich mich wieder hochgerappelt hatte, war er schon weg, und ich hörte ihn in einiger Entfernung über ein paar Steine klettern. Ich ihm nach. Es war ziemlich dunkel, aber der Himmel war ja klar, und dadurch konnte man bewegliche Gegenstände als graue Schatten sehen. Dann und wann sah ich ihn, wenn er über dem Horizont auftauchte. Sie kennen ja die Gegend; lauter Mulden und Bodenwellen. Ich
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