Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Abend zu Mrs. Farren gefahren?»
«Ja.»
«Was haben Sie ihr gesagt?»
«Ich habe ihr über die Ereignisse der vergangenen Nacht berichtet.»
«War das alles? Sie haben ihr zum Beispiel nicht gesagt, daß Sie mit einer Mordanklage gegen Farren rechneten, und sie solle sehr vorsichtig mit dem sein, was sie der Polizei sage?»
Strachan kniff die Augen zusammen.
«Ist das nicht so eine von den Fragen, die Sie nicht stellen dürfen und die ich nicht zu beantworten brauche?»
«Ganz wie Sie wollen, Mr. Strachan.» Der Polizeipräsident erhob sich. «Sie scheinen sich ja in den Gesetzen recht gut auszukennen. Dann wissen Sie zum Beispiel auch, daß Beihilfe zur Vertuschung eines Mordes ebenso bestraft wird wie die eigentliche Tat?»
«Gewiß weiß ich das, Sir Maxwell. Und ich weiß auch, daß Sie bei einer Zeugeneinvernahme keine Drohungen aussprechen dürfen, weder offen noch versteckt. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?»
«Danke, nein», antwortete der Polizeipräsident höflich.
Nein, Strachan hat wirklich schon genug getan, dachte er auf dem Rückweg nach Kirkcudbright. Wenn das mit dem Zettel stimmte, den er auf Campbells Tisch gelegt haben wollte – und er neigte dazu, das zu glauben –, dann hatte Strachan die ganze schöne Theorie der Polizei über den Tathergang zerstört. Denn das bedeutete ganz klar folgendes: Entweder war Campbell nach Strachans Besuch noch am Leben gewesen – in diesem Fall hatte es an der Straße zwischen Gatehouse und Kirkcudbright keinen Mord gegeben –, oder jemand anders, ein bisher Unbekannter, hatte Campbells Haus nach Mitternacht betreten, und dieser Jemand mußte zweifellos der Mörder sein.
Natürlich gab es auch noch die Möglichkeit, daß es so einen Zettel nie gegeben hatte, daß Strachan vielmehr Campbell zu Hause angetroffen und getötet hatte. Das paßte zu Fergusons Aussage. Aber warum hätte er in diesem Fall diesen Zettel überhaupt erfinden sollen? Doch höchstens um Farren zu belasten, und das war lächerlich, denn die einzige vernünftige Erklärung für Strachans sonstiges Verhalten war doch, daß er entweder Farren deckte oder sogar mit ihm im Bunde stand.
Irgendwer anders – irgendwer anders. Aber wer? Fergusons Aussage hatte sich bisher in allen Punkten bestätigt. Die erste Ankunft des Wagens mit der Leiche, die zweite Ankunft von Strachan – wenn noch eine dritte Person gekommen war, wie schade, daß Ferguson nichts davon gehört haben sollte! Ferguson – Tja, wie stand’s mit Ferguson?
Von allen war er derjenige, der am ehesten unbemerkt in Campbells Cottage gelangen konnte. Er brauchte nur ums Haus zu gehen und die Tür mit dem Schlüssel öffnen, den er Campbell bestimmt schon unzählige Male hatte verstecken sehen.
Aber das war auch wieder absurd. Ferguson hatte nicht nur ein Alibi – der Polizeipräsident maß Alibis keinen übertriebenen Wert bei –, nein, diese Theorie ließ auch eine ganz große Frage offen: Wo war Campbell gewesen, als Strachan kam?
Wenn Strachan ihn dort gefunden hatte, warum hätte er es nicht sagen sollen?
Angenommen, Strachan hatte Campbell tot vorgefunden – von Ferguson zu irgendeinem früheren Zeitpunkt getötet. Was dann? Stand Strachan mit Ferguson im Bunde?
Ja, das war doch endlich mal eine Idee. Alle Schwierigkeiten waren bisher aus der Annahme erwachsen, daß an dem Verbrechen nur einer der Künstler beteiligt war. Ferguson konnte den Mord begangen und sich ein Alibi verschafft haben, indem er nach Glasgow fuhr, während Strachan zu Hause blieb und den Unfall vortäuschte und das Bild malte.
Diese ganze Geschichte von der Prügelei mit Farren und dem Sturz in den Schacht war doch allzu dünn. Strachan war die ganze Zeit in Newton Stewart gewesen. Seine Rückfahrt über die Nebenstraße von Creetown nach Anwoth ließ sich bestimmt nachprüfen und entsprach einigermaßen der Zeit, die er gebraucht haben mochte, um die Leiche zum Minnoch zu bringen, das Bild zu malen und sich davonzumachen.
Nur – warum dann Farren ins Spiel bringen? Hätte Strachan sich keine bessere Erklärung dafür ausdenken können, daß er die ganze Nacht fort gewesen war, anstatt seinen besten Freund hineinzuziehen? Einen Freund, der obendrein schon selbst verdächtig war? Das setzte ein Maß an kaltblütiger Gemeinheit voraus, das man bei Strachan kaum erwarten würde.
Aber ein schlauer Bursche war er. Schon bevor man eine Frage gestellt hatte, wußte er, worauf sie hinauslief. Scharfsinnig, gewitzt und vorsichtig.
Weitere Kostenlose Bücher