Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
ungeduldig aus den Händen, fischte eine Tube Krapprosa heraus, drückte etwas Farbe auf seine Palette, verschloß die Tube wieder und warf sie in den Sack zurück.
«Sie benutzen Krapprosa?» fragte Wimsey neugierig. «Manche sagen, das sei eine schwierige Farbe.»
«Manchmal kommt sie einem gerade recht – wenn man sie anzuwenden versteht.»
«Gilt diese Farbe nicht als irgendwie unecht?»
«Doch – ich benutze sie auch nicht viel. Haben Sie etwa einen Malkurs mitgemacht?»
«So etwas Ähnliches. Die verschiedenen Methoden studiert und so. Das ist sehr interessant. Mir tut’s leid, daß ich nie Campbell bei der Arbeit gesehen habe. Er –»
«Um Himmels willen, reiten Sie doch nicht immerzu auf Campbell herum!»
«Nein? Dabei erinnere ich mich so gut, daß Sie gesagt haben, Sie könnten eine vollkommene Campbell-Imitation malen, wenn Sie wollten. Das war kurz bevor er kaltgemacht wurde – wissen Sie nicht mehr?»
«Davon erinnere ich mich an gar nichts mehr.»
«Na ja, Sie waren in dem Augenblick ein bißchen aufgedreht und haben es wahrscheinlich gar nicht ernst gemeint. Im Sunday Chronicle von dieser Woche steht was über ihn. Ich hab’s doch irgendwo. Ach ja – hier steht, daß er ein großer Verlust für die Welt der Malerei ist. ‹Sein unnachahmlicher Stil›, schreiben die. Na ja, irgendwas müssen sie ja schreiben. ‹Höchst individuelle Technik›; das ist eine schöne Phrase. ‹Bemerkenswert machtvolle Vision und einmaliger Farbensinn stellten ihn sogleich in die erste Reihe.› Ich stelle fest, daß Leute, die plötzlich sterben, anscheinend immer in der ersten Reihe gestanden haben.»
Waters schnaubte.
«Ich kenne den Burschen, der diese Sachen für den Sunday Chronicle schreibt. Einer von der Hambledon-Clique. Aber Hambledon ist ein Maler. Campbell hat Hambledons schlechteste Tricks genommen und zu einem Stil verarbeitet. Ich sage Ihnen –»
Die Tür zum Atelier flog auf, und atemlos stürzte Graham herein.
«Hör mal, ist Wimsey hier? Entschuldigung, Waters, aber ich muß mit Wimsey sprechen. Nein, ist schon gut, ich will ihn gar nicht mitnehmen. Menschenskind, Wimsey, ich sitze vielleicht in der Patsche! Es ist zu schlimm. Haben Sie schon davon gehört? Mich hat der Schlag eben erst getroffen.»
«Ei, ei, Ihr habt erfahren, was Ihr nicht solltet», sagte Wimsey.
«Wasch deine Hände, leg dein Nachtkleid an; sieh nicht so blaß aus. Ich sag es dir noch einmal, Campbell ist tot; er kann aus seiner Gruft nicht heraus.»
«Ich wollte, er könnte.»
«Klopf Duncan aus dem Schlaf? O könntest du’s.»
«Mann, hören Sie doch auf zu albern, Wimsey. Es ist wirklich schändlich.»
«O Grausen, Grausen!» deklamierte Wimsey weiter und taumelte ganz realistisch in eine Ecke. «Zung und Herz faßt es nicht, nennt es nicht! Sagt an, was blickt Ihr wie ein Gänserich?»
«Gänserich trifft den Nagel auf den Kopf», sagte Graham. «Genauso stehe ich nämlich jetzt da.»
«Gänse sind zum Rupfen da», meinte Wimsey, ihn belauernd, «und Ihnen scheint man auch an die Federn zu wollen.»
«War das jetzt Zufall, oder haben Sie das wirklich so gemeint?»
«Worum geht’s hier eigentlich?» fragte Waters übellaunig.
«Meinetwegen dürfen Sie’s auch erfahren», sagte Graham. «In Kürze weiß es sowieso das ganze Land, wenn hier nichts geschieht. Mein Gott!» Er wischte sich die Stirn ab und ließ sich schwer auf den nächsten Stuhl fallen.
«Ja nun», meinte Wimsey.
«Hören Sie! Sie kennen doch dieses ganze Theater um Campbell. Dieser Konstabler, dieser Duncan –»
«Hab ich doch gesagt, daß da irgendwo ein Duncan darin vorkommt.»
«Klappe! Dieser Idiot kam doch neulich Fragen stellen, wo ich am Dienstag gewesen sei und so weiter. Sie wissen ja, ich hab das Ganze nie ernst genommen. Ich hab ihm gesagt, er soll rausgehen und spielen. Dann ist da was in die Zeitung gekommen –»
«Ich weiß, ich weiß», sagte Wimsey. «Diesen Teil können wir als gelesen voraussetzen.»
«Na schön. Also – Sie kennen doch dieses Frauenzimmer da, aus Newton Stewart – die Smith-Lemesurier?»
«Ich hab sie mal kennengelernt.»
«Gott! Ich auch. Sie hat mich heute früh zu fassen gekriegt –»
«Jock, Jock!»
«Ich hab ja zuerst überhaupt nicht kapiert, worauf sie hinauswollte. Erst hat sie mich immer so hintergründig und schmachtend angelächelt, und dann hat sie gemeint, was ich auch getan hätte, an ihrer Freundschaft für mich würde das nichts ändern, und dann hat sie von
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