Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Was war das eigentlich? Leberwurst?»
«Das kann mal passieren. Oder soll ich vielleicht herumlaufen wie Gowan, mit einem Mittelding aus Picknickkorb und Skizzenbox, wo für jede Tube ein Fach und daneben noch Platz für den Teekessel ist?»
«Ach, bei Gowan ist das nichts als Angeberei. Wissen Sie noch, wie ich ihm den Kasten mal geklaut und in die Fächer lauter kleine Fischchen getan hab?»
«Au, das war ein Spaß!» rief Waters erinnerungsselig. «Er hat die Box wegen des Fischgeruchs eine ganze Woche nicht benutzen können. Und malen konnte er auch nicht, weil es ihn so erregt hat, daß seine Sachen durcheinander waren. Hat er wenigstens gesagt.»
«O ja, Gowan ist ein Mann von Methode», sagte Graham. «Ich bin wie ein Waterman-Füller – funktioniere in jeder Lage. Aber er muß immer alles so und nicht anders haben. Na ja, was soll’s. Ich bin doch hier wie ein Fisch auf dem Trockenen. Mir gefällt Ihr Spachtel nicht, mir gefällt Ihre Palette nicht, und für die Staffelei habe ich nur Verachtung übrig. Aber glauben Sie ja nicht, daß solche Kleinigkeiten mich abhalten können. Im Leben nicht. Fangen wir an. Wollen Sie mit der Stoppuhr dabeistehen, Wimsey?»
«Ja. Sind Sie soweit? Ein, zwei, drei – los!»
«Ach, übrigens, Sie werden uns sicher nicht verraten, ob es das Ziel dieser Übung ist, uns zu überführen? Ich meine, sollen wir dafür gehängt werden, ob wir schnell oder langsam malen?»
«Das weiß ich selbst noch nicht», sagte Wimsey, «aber eines kann ich Ihnen sagen: Je weniger Sie trödeln, desto lieber ist es mir.»
«Ein fairer Vergleich ist das sowieso nicht», meinte Waters, während er sein Blau und Weiß zur Farbe eines Morgenhimmels zusammenmischte. «So ein Bild zu kopieren ist ja nicht dasselbe, wie wenn man’s direkt malt. Das muß ja schneller gehen.»
«Langsamer», widersprach Graham.
«Jedenfalls anders.»
«Das Lästige daran ist die Technik», fand Graham. «Alles mit dem Spachtel, das ist nicht mein Fall.»
«Meiner schon», meinte Waters. «Ich arbeite selbst viel damit.»
«Ich früher auch mal», sagte Graham. «Aber das hab ich vor einiger Zeit aufgegeben. Wir müssen doch sicher nicht jedes Strichchen genau nachpinseln, Wimsey?»
«Wenn Sie das versuchen», sagte Waters, «geht’s auf alle Fälle langsamer.»
«Das will ich Ihnen erlassen», meinte Wimsey. «Ich möchte nur, daß Sie ungefähr die gleiche Menge Farbe auf die Leinwand schmieren.»
Die beiden arbeiteten eine Zeitlang schweigend weiter, während Wimsey zappelig im Atelier umherging, da etwas aufhob und dort etwas wieder hinstellte und zusammenhanglose Fetzen Bach vor sich hin pfiff.
Nach einer Stunde war Graham etwas weiter als Waters, aber verglichen mit der Vorlage war sein Bild auch noch ziemlich unvollständig.
Nach weiteren zehn Minuten bezog Wimsey hinter den beiden Malern Aufstellung und beobachtete sie mit geradezu entnervender Aufmerksamkeit. Waters wurde unruhig, kratzte etwas weg, was er gerade gemalt hatte, malte es neu, fluchte und sagte:
«Ich wollte, Sie würden verschwinden.»
«Nachlassende Nerven unter Anspannung», konstatierte Wimsey leidenschaftslos.
«Was ist denn los, Wimsey? Sind wir in Zeitverzug?»
«Noch nicht», antwortete Wimsey, «aber sehr bald.»
«Also, was mich betrifft, dürfen Sie sich noch ein halbes Stündchen gedulden», meinte Graham, «und wenn Sie mich anzutreiben versuchen, dauert’s wahrscheinlich noch länger.»
«Lassen Sie sich nicht stören, machen Sie’s, wie es sich gehört. Wenn Sie meine Berechnungen durcheinanderbringen, macht das auch nichts. Ich komme schon irgendwie über die Runden.»
Die halbe Stunde ging schleppend zu Ende. Graham schaute von der Vorlage zur Kopie und meinte: «Besser kann ich’s nicht.»
Damit warf er die Palette hin und streckte sich. Waters warf einen Blick zu seinem Werk hinüber und sagte: «Sie waren jedenfalls schneller», ohne mit Malen abzusetzen. Er malte noch eine Viertelstunde weiter, dann sagte auch er, daß er fertig sei. Wimsey spazierte hinüber und begutachtete die Resultat. Graham und Waters erhoben sich und taten desgleichen.
«Nicht schlecht, im großen und ganzen», meinte Graham, indem er die Augen halb zusammenkniff und es sich plötzlich auf Wimseys Zehen bequem machte.
«Das Zeug auf der Brücke haben Sie sehr gut hingekriegt», sagte Waters. «Durch und durch campbellianisch.»
«Ihr Bach ist besser als meiner und im übrigen auch besser als Campbells», antwortete Graham.
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