Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
das eine oder andere Licht auf ihre finstere Vergangenheit werfen. Aber ich muß jetzt laufen. Zwei Künstler reißen ungeduldig an der Leine. Mord rufen und des Krieges Hund entfesseln! Was ich doch heute für eine poetische Ader habe. Wahrscheinlich kommt’s daher, daß sonst mein Kopf so leer ist.»
Als er zurückkam, hatte Waters Graham schon mit Leinwand, Palette, Spachtel und Pinseln versorgt und diskutierte mit ihm gutgelaunt über die jeweiligen Vor- und Nachteile zweier verschiedener Staffeleien.
Wimsey baute Campbells Skizze auf einem Tisch vor ihnen auf.
«So, das ist dasjenige, welches?» meinte Graham. «Hm. Sehr typisch. Fast schon übertypisch, finden Sie nicht, Waters?»
«Es ist genau das, was man von den Campbells dieser Welt erwarten kann», fand Waters. «Der Kunstgriff degeneriert zum Manierismus, bis sie nur noch Karikaturen ihres eigenen Stils malen können. Das kann übrigens jedem passieren. Sogar Corot, um ein Beispiel zu nennen. Ich bin mal auf einer Corot-Ausstellung gewesen, und, bei meiner Seele, nachdem ich dort an die hundert Corots auf einem Haufen gesehen hatte, kamen mir so einige Zweifel. Dabei war er ja nun ein Meister.»
Graham nahm das Bild und ging damit ans Licht. Er runzelte die Stirn und rieb nachdenklich mit dem Daumen über die Oberfläche.
«Komisch», sagte er, «die Ausführung ist überhaupt nicht … Wie viele Leute haben das schon gesehen, Wimsey?»
«Bisher nur die Polizei und ich. Und natürlich der Staatsanwalt.»
«Aha! – Tja! Wissen Sie, ich würde sagen – wenn ich nicht wüßte, was es ist –»
«Ja?»
«Ich würde fast annehmen, ich hab’s selbst gemalt. Es hat so etwas ganz leicht Imitiertes an sich. Und dann ist da so etwas wie – sehen Sie sich doch nur mal diese Steine im Wasser an, Waters, und den Schatten unter der Brücke. Irgendwie ist das für Campbells üblichen Stil zu kalt und kobaltig.» Er hielt das Bild auf Armlänge von sich ab. «Sieht aus, als wenn er experimentiert hätte. Es fehlt irgendwie die Freiheit. Finden Sie nicht?»
Waters ging hin und sah ihm über die Schulter.
«Na, ich weiß nicht recht, Graham. Doch, ich verstehe schon, was Sie meinen. Es wirkt da und dort etwas unbeholfen. Nein, das auch wieder nicht. Ein wenig zögernd. Das ist auch nicht das richtige Wort. Unernst. Aber das ist es ja gerade, was ich an Campbells sämtlichen Bildern auszusetzen habe. Es hat durchaus seine Wirkung, aber wenn man sich genauer damit beschäftigt, hält es einer näheren Betrachtung nicht stand. Ich nenne das typisch Campbellsches Stückwerk. Ein schlechter Campbell, wenn Sie so wollen, aber voller Campbellismen.»
«Ich weiß», sagte Graham. «Das erinnert mich daran, was die gute Frau über Hamlet gesagt hat – nichts als Zitate.»
«Chesterton sagt», mischte Wimsey sich ein, «daß die meisten Menschen mit einem vollentwickelten Stil mitunter etwas schreiben, was wie eine schlechte Parodie ihrer selbst klingt. Als Beispiel nimmt er Swinburne: ‹Von der Tugend Lilie und Leere, zu des Lasters Rose und Lust.› Das ist bei Malern wohl nicht anders. Aber davon verstehe ich natürlich überhaupt nichts.»
Graham sah ihn an, öffnete den Mund zum Sprechen und schloß ihn wieder.
«So, jetzt aber Schluß damit», sagte Waters. «Wenn wir das Mistding kopieren sollen, fangen wir besser an. Können Sie von dort was sehen? Ich lege die Farben hier auf den Tisch. Und schmeißen Sie sie nicht einfach auf den Boden, wie das sonst so Ihre ferkelige Art ist.»
«Tu ich gar nicht», erwiderte Graham entrüstet. «Ich leg sie immer schön säuberlich in meinen Hut, wenn ich ihn nicht aufhabe, und wenn ich ihn aufhabe, lege ich sie ordentlich ins Gras. Wenigstens muß ich nicht immer in einem Sack zwischen meinen Butterbroten danach fischen. Ein Wunder, daß Sie nicht Ihre Farben aufessen und die Sardellenpaste auf die Leinwand schmieren.»
«Ich habe nie Butterbrote in meinem Malersack», entgegnete Waters. «Die stecke ich in die Rocktasche. Und zwar immer in die linke. Sie halten mich vielleicht nicht für ordentlich, aber ich weiß jedenfalls immer, wo ich alles finde. Ferguson, der steckt die Tuben immer in die Tasche, darum sehen seine Taschentücher auch aus wie Farblappen.»
«Immer noch besser, als mit Krümeln in der Tasche rumlaufen», meinte Graham. «Ganz zu schweigen von damals, als Mrs. McLeod meinte, mit der Kanalisation sei was nicht in Ordnung, bis sie Ihren alten Malerkittel als die Geruchsquelle ausmachte.
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