Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
lasse ich lieber bleiben. Kann’s nicht riskieren, daß die Batterie sich leert. Leihen Sie mir mal Ihre Taschenlampe, Dalziel. Ich will das nicht im Haus unter Fergusons Augen machen. Natürlich könnte er sich verraten und alles gestehen, vielleicht aber auch nicht. Außerdem wär’s mir eigentlich lieber, er tät’s nicht. Ich hab mein Herz so an diese Rekonstruktion gehängt.»
Er holte ein Notizbuch aus der Tasche und begann zu schreiben. Der Polizeipräsident und der Sergeant reichten sich die Whiskyflasche hin und her und unterhielten sich flüsternd. Vom Kirchturm schlug es elf. Wimsey schrieb weiter. Um Viertel nach elf las er seine Notizen noch einmal aufmerksam durch und steckte sie in die Tasche zurück. Nach weiteren zehn Minuten stand er auf.
«So, um diese Zeit sollte mein Plan stehen», sagte er. «Mehr oder weniger. Jetzt muß ich mich an die Arbeit machen. Ich muß heute nacht in zwei Betten schlafen, also fange ich schon mal mit Fergusons an. Dalziel, Sie müssen sich bereit machen, Strachan zu spielen.»
Der Sergeant nickte.
«Und die Leiche sollte lieber hierbleiben. Prost, Leute. Laßt mir auch noch ein Schlückchen in der Flasche.»
Die Leiche und der Sergeant standen noch ein Weilchen an der Garagentür und sahen Wimseys dunkler Gestalt nach, die über den Hof ging. Es war finster, aber nicht stockfinster, so daß sie ihn zur Tür hineinschlüpfen sahen. Bald darauf flackerte im Schlafzimmer das Licht einer Kerze auf. Dalziel entfernte sich, stieg in den Beobachterwagen und fuhr davon.
«Ferguson!»
Wimseys Stimme klang ein wenig heiser. Ferguson stand auf und ging zum Fuß der Treppe.
«Kommen Sie mal rauf.»
Ferguson ging etwas zögernd hinauf, wo er Wimsey in Socken und Hemdsärmeln neben dem Bett stehen sah.
«Ich lege mich jetzt hier etwas hin und halte ein Nickerchen. Und dann möchte ich, daß Sie bei mir bleiben, bis etwas passiert.»
«Ein dämliches Spiel ist das.»
«Das fürchte ich auch. Aber Sie werden’s ja bald überstanden haben.»
Wimsey legte sich ins Bett und zog die Decken über sich. Ferguson setzte sich auf einen Stuhl beim Fenster. Kurz darauf hörte man einen Wagen näher kommen. Er blieb am Tor stehen, und eilige Schritte kamen über den Hof.
Klopf, klopf, klopf.
Wimsey sah auf die Uhr. Zehn Minuten nach Mitternacht. Er stieg aus dem Bett und stellte sich dicht hinter Ferguson, fast auf Tuchfühlung.
«Schauen Sie bitte aus dem Fenster.»
Ferguson gehorchte. Eine dunkle Gestalt stand vor Campbells Tür. Sie klopfte wieder, trat einen Schritt zurück und sah zu den Fenstern hinauf, dann ging sie einmal ums Haus und kam wieder nach vorn an die Tür. Sie bewegte sich zur Seite und schien etwas hinter dem Fensterladen zu suchen. Dann hörte man, wie ein Schlüssel ins Schloß geschoben wurde. Die Tür ging auf, und die Gestalt trat ein.
«Ist das so richtig?»
«Ja.»
Sie beobachteten weiter. Ein Licht huschte über das Seitenfenster des unteren Zimmers. Dann ging es weiter und erschien kurz darauf im Schlafzimmer, dessen Fenster gegenüber dem von Ferguson lag. Es bewegte sich so, als ob das Zimmer rundum abgeleuchtet würde; dann verschwand es. Wenig später erschien es wieder im unteren Zimmer und hielt still.
«Ist das richtig?»
«Nicht ganz. Es waren Streichhölzer, keine Taschenlampe.»
«Aha. Woher wissen Sie das übrigens? Ich dachte, Sie hätten die Person nur kommen hören und überhaupt nichts gesehen.»
Er hörte Ferguson scharf durch die Nase atmen. Dann: «Hab ich das gesagt? Diesen Eindruck wollte ich eigentlich nicht erwecken. Ich habe die Tür unten aufgehen hören und das Licht oben gesehen. Ich habe nur nicht gesehen, wer da eigentlich gekommen war.»
«Und Sie haben ihn auch nicht hinausgehen sehen?»
«Nein.»
«Hatten Sie keine Ahnung, wer es war?»
«Nein.»
«Und Sie haben in dieser Nacht auch sonst niemanden gesehen?»
«Keinen.»
«Und am nächsten Morgen um halb acht haben Sie Campbell in seinem Wagen davonfahren sehen?»
«Ja.»
«Gut. Dann können Sie jetzt abhauen, wenn Sie wollen.»
«Na, ich glaube schon, daß ich will … hören Sie mal, Wimsey!»
«Ja?»
«Ach, nichts. Gute Nacht.»
«Gute Nacht. Jetzt hätte er’s mir beinahe gesagt», sagte Wimsey. «Armer Teufel!»
Ferguson ging aus dem Haus und zum Tor hinaus. Zwei heimliche Gestalten lösten sich von der Hecke und folgten ihm.
Wimsey wartete am Fenster, bis er Dalziel das Haus nebenan verlassen, schließen und den Schlüssel wieder in sein
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