Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
es ist noch recht weit von dort bis zum Minnoch. Haben die Leute die Zeit erwähnt, um die sie Mr. Graham gesehen haben?»
«Nein, Mylord, aber da sie darauf anspielten, wieviel Mr. Graham getrunken haben soll, nehme ich an, daß es um die Polizeistunde herum gewesen sein muß.»
«Aha!» sagte Wimsey. «Das könnte eine Umfrage in den Kneipen von Creetown klären. Sehr schön, Bunter. Ich glaube, ich werde heute nachmittag ausgehen und mir bei einer Runde Golf das Gehirn auslüften. Um halb acht hätte ich dann gern ein Grillsteak mit Pommes frites.»
«Sehr wohl, Mylord.»
Wimsey spielte seine Runde Golf mit dem Bürgermeister, doch ohne viel davon zu haben, außer daß er ihn haushoch schlug. Er deutete seinen Sieg dahingehend, daß der Bürgermeister wohl nicht recht bei der Sache war, aber er brachte ihn einfach nicht auf den Fall Campbell zu sprechen. Das Ganze sei «ein unglückseliger Vorfall», und nach Ansicht des Bürgermeisters könne «wohl noch ein Weilchen hingehen, bis Licht in die Sache» komme – und damit lenkte er die Unterhaltung energisch auf das Ringwerfen in Gatehouse, die zurückliegende Regatta in Kirkcudbright, die Lachsknappheit und die Missetaten der Fischdiebe in der Cree-Mündung sowie die Probleme der Abwassereinleitung in Gezeitengewässer.
Abends um halb zehn – Wimsey hatte gerade sein Grillsteak und ein Rhabarbertörtchen verdrückt und saß verträumt über ein paar alten Nummern des Gallovidian – riß ihn plötzlich lautes Füßetrappeln auf dem Hof aus seiner Beschaulichkeit. Er wollte gerade aufstehen und aus dem Fenster sehen, da klopfte es an die Tür. Eine fröhliche Frauenstimme rief: «Dürfen wir eintreten?»
Miss Selby und Miss Cochran bewohnten zwei nebeneinanderliegende Häuschen, und man sah sie ständig abwechselnd im Wohnzimmer der einen oder anderen zusammen Tee trinken oder am Strand von Loch Doon baden. Miss Selby war groß, dunkel, etwas eckig gebaut und auf irgendwie unnahbare Weise auch recht hübsch, und sie malte ziemlich gute, kräftige, eckige und hübsche Figurenstudien in Öl. Miss Cochran war rundlich, fröhlich, humorvoll und grauhaarig. Sie illustrierte Zeitschriftenromane in Tusche und Farbe. Wimsey mochte beide, weil sie so gar nichts Gekünsteltes an sich hatten, und sie mochten Wimsey aus dem gleichen Grunde und weil sie Bunter so überaus belustigend fanden. Es schmerzte Bunter immer zutiefst, sie ihre Mahlzeiten selbst kochen und ihre Wäsche selbst aufhängen zu sehen. Dann eilte er ihnen mit vorwurfsvoller Miene zu Hilfe, nahm ihnen mit einem höflichen «Sie gestatten, Miss» Hammer und Nägel aus der Hand und bot ihnen zuvorkommend an, während ihrer Abwesenheit auf ihre Stews und Aufläufe aufzupassen. Sie belohnten ihn mit Gemüse- und Blumengeschenken aus ihrem Garten – Geschenke, die Bunter mit einem respektvollen «Vielen Dank, Miss, Seine Lordschaft wird Ihnen sehr verbunden sein», entgegennahm. Während Wimsey nun seine Gäste begrüßte, nahte Bunter unaufdringlich und nutzte die erste Gesprächspause, um sich zu erkundigen, ob die Damen nach ihrer Reise vielleicht einen Imbiß wünschten.
Die Damen entgegneten, sie hätten bereits gespeist, aber ein paar kleine Nachfragen ergaben, daß sie in Wahrheit seit dem Tee nur mehr ein paar kleine Sandwiches im Zug zu sich genommen hatten. Wimsey ließ sofort ein paar Omelettes zubereiten und eine Flasche Bordeaux nebst dem Rest der Rhabarbertorte bringen, und nachdem Bunter sich zurückgezogen hatten, um diese Speisen zu besorgen, meinte er: «Na, dann haben Sie ja die ganze Aufregung hier verpaßt.»
«Man hat es uns schon am Bahnhof gesagt», antwortete Miss Cochran. «Was ist denn nun eigentlich los? Stimmt es, daß Mr. Campbell tot ist?»
«Es stimmt. Man hat ihn im Bach gefunden –»
«Und jetzt heißt es sogar, er soll ermordet worden sein», warf Miss Selby ein.
«Soso, heißt es das schon? Aber das stimmt auch.»
«Großer Gott!» rief Miss Selby.
«Und wer soll es getan haben?» erkundigte sich Miss Cochran.
«Das weiß man noch nicht», sagte Wimsey, «aber es hat den Anschein, als ob die Sache geplant gewesen sei.»
«Aber wieso denn?» fragte Miss Cochran ohne Umschweife.
«Gewisse Anzeichen weisen eben in diese Richtung, und ein Raubüberfall oder so etwas scheint nicht vorzuliegen – und überhaupt noch so einiges.»
«Und natürlich wissen Sie wieder einmal mehr, als Sie glauben, uns sagen zu dürfen. Na ja, zum Glück haben wir ja ein Alibi,
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