Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Mrs. McLeod ist wieder zu Bett gegangen. Kurz darauf ist jemand in Waters’ Schlafzimmer hinauf- und wieder hinuntergelaufen, dann ist die Haustür auf- und wieder zugegangen. Mrs. McLeod hat wieder aus dem Fenster geschaut und die beiden Männer in den Wagen steigen und wegfahren sehen. Ungefähr nach einer dreiviertel Stunde – mittlerweile war sie hellwach – hat sie wieder die Tür aufgehen und jemanden auf Zehenspitzen in Waters’ Schlafzimmer hinaufschleichen hören.
Weiter ist dann nichts mehr passiert, und um halb acht hat sie, wie vereinbart, mit dem Rasierwasser an Waters’ Tür geklopft, und um acht hat sie im Wohnzimmer sein Frühstück serviert. Darauf ist sie nach hinten ins Haus gegangen, um irgendwelche Hausarbeiten zu erledigen, und als sie um zwanzig nach acht wiederkam, hatte Waters das Frühstück nur eben angerührt und war schon wieder weg.
Nun kommen noch zwei interessante Punkte. Erstens ist Waters – angeblich zum Besuch der Ausstellung in Glasgow – in einem alten Pullover, einer grauen Flanellhose, Tennisschuhen und einem alten Regenmantel fortgegangen. Und zweitens hat er sein Fahrrad mitgenommen.»
«Was?» rief Wimsey.
«Er hat sein Fahrrad mitgenommen. Oder um es genauer zu sagen: Sein Fahrrad, das gleich hinter der Haustür zu stehen pflegt, hat dort am Montagabend gestanden, anderntags um zwanzig nach acht aber nicht mehr. Es besteht also Grund zu der Annahme, daß Waters es mitgenommen hat.»
«Gütiger Himmel!»
«Was schließen Sie daraus?» fragte der Polizeipräsident.
«Sie möchten wohl von mir die Schlußfolgerung hören», sagte Wimsey langsam, «daß dieser Mann auf der Straße Campbell war, der wiedergekommen war, um seinen Streit mit Waters fortzusetzen. Daß sie zusammen fortgefahren sind, um sich zu prügeln. Daß Campbell bei dieser Prügelei eins über den Schädel bekommen hat. Daß Waters dann die Leiche irgendwo versteckt hat. Daß er wieder nach Hause gekommen ist, damit alles so normal wie möglich aussah. Daß er sich dann den Plan zur Vertuschung ausgedacht hat und morgens zur angekündigten Zeit fortgegangen ist, Leiche und Fahrrad in Campbells Wagen verfrachtet hat und auf schnellstem Wege zum Minnoch gefahren ist, um den Unfall vorzutäuschen.»
«Welche Erklärung hätten Sie denn sonst dafür?»
«Ich hätte mindestens fünfzig», sagte Wimsey, «aber um mich nicht meinerseits der Verdunklung schuldig zu machen, muß ich wohl zugeben, daß die Umstände zur Tat zu passen scheinen. Bis auf einen Punkt vielleicht.»
«Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Was hat er zwischen Mitternacht und acht Uhr früh mit der Leiche gemacht?»
«Das nicht», sagte Wimsey. «Nein – da sehe ich keine Schwierigkeit. Er brauchte nur die Leiche ins Auto zu legen und damit zu seinem Atelier zu fahren. Da ist Platz genug, wo die Leute oft ihre Autos und Kutschen abstellen, und niemand würde von einem alten Wagen mit Gerümpel darin und einer Decke darüber Notiz nehmen. Es ist ja nicht so, als ob er ihn auf dem Piccadilly Circus hätte stehenlassen. Hier lassen die Leute oft ihren Wagen die ganze Nacht an der Straße stehen, und niemand stört sich daran. Nein, nein, das ist es nicht, was mir Rätsel aufgibt.»
«Was dann?»
«Nun, wenn das alles stimmt, wo ist dann Waters? Er hätte gestern hier sein und frech seine Unschuld demonstrieren müssen. Wozu so raffiniert einen Unfall vortäuschen und dann durch die Flucht doch den Verdacht auf sich lenken?»
«Vielleicht hat er kalte Füße bekommen, nachdem er es getan hatte. Ihr Einwand trifft im übrigen auf alle zu, außer vielleicht auf Strachan und Ferguson.»
«Stimmt auch wieder. Nun, Sir Maxwell, ich glaube, dann werden Sie die Jagd auf Waters freigeben müssen.»
«Muß ich wohl. Bedeutet das die Einschaltung von Scotland Yard, was meinen Sie?»
«Sie werden auf jeden Fall Hilfe brauchen, um die Leute überall im Land aufzustöbern. Die können ja sonstwo sein. Aber ich glaube eigentlich, daß sich die Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten in diesem Falle noch am ehesten auszahlt. Ich bin natürlich nicht der Mann, der Ihnen da hineinreden könnte, versteht sich.»
«Mir wäre es selbstverständlich lieber, wenn wir das unter uns erledigen könnten. MacPherson ist ein tüchtiger Mann, und Dalziel auch.»
«Da fällt mir ein», sagte Wimsey, «was ist mit dem jungen Mann, den sie in Stranraer geschnappt haben?»
Sir Maxwell stöhnte auf.
«Ein Schlag ins Wasser. Der Mann hat sich
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