Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
als vollkommen ehrbarer Fremdling entpuppt. Er arbeitet in einer Wäschefabrik in Larne und hatte anscheinend Urlaub, um seine Familie zu besuchen, die irgendwo auf einem abgelegenen Gehöft bei Pinwherry lebt. Er hatte ein langes Wochenende, das am Montagabend zu Ende ging. Dann hat es offenbar am Montagabend irgendeine Fete gegeben, und man hat den Burschen überredet, noch zu bleiben. Als er am Dienstag wieder zu sich kam, ist er Hals über Kopf zum Bahnhof gerannt, weil er glaubte, er könne es noch bis zum Nachmittag schaffen, aber dann hat er sich im Fahrplan geirrt und schließlich feststellen müssen, daß vor sieben Uhr abends kein Schiff mehr abging.»
«Nachdem er das Morgenschiff natürlich verpaßt hatte.»
«Genau. Das hatte er natürlich ursprünglich kriegen wollen, aber wegen der Fete hat er’s nicht gekriegt. Na ja, und nachdem er nun einmal in Stranraer saß, hat er sich gesagt, daß es wohl keinen Sinn habe, noch am Abend zurückzufahren, daß er ebensogut das Schiff am Mittwoch früh um 6 Uhr 10 nehmen könne. Folglich hat Dalziels Mitteilung an die Polizei von Stranraer ihn in dem Moment erwischt, als er am Morgen aufs Schiff wollte. Dalziel hat den ganzen Tag geschuftet wie ein Irrer, um ihn von seiner Familie, dem Stationsvorsteher von Pinwherry und den Leuten in Larne identifizieren zu lassen, mit dem Ergebnis, daß seine Geschichte von vorn bis hinten stimmt und er sich nichts weiter hat zuschulden kommen lassen, als daß er zu betrunken war, um am Montagabend an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Soll ihn der Henker holen! Er hat unserem besten Mann einen ganzen Arbeitstag gestohlen, und wir stehen genau wieder dort, wo wir angefangen haben. Ich kann nur hoffen, daß sie ihn rausschmeißen.»
«Nur nicht so rachsüchtig», sagte Wimsey. «Er hat ja nicht wissen können, was für Umstände er uns machen würde. Er muß jedenfalls zu Tode erschrocken sein, wie der Mann in Ian Hays Buch es von den Läusen in seiner Bettdecke behauptet.»
Der Polizeipräsident knurrte etwas.
«Gibt’s was Neues von dem Mann mit dem Fahrrad, der in Girvan in den Zug gestiegen ist?»
«Nein. Nur die Überprüfung der Fahrkarten hat ergeben, daß er tatsächlich bis Ayr gefahren ist.»
«Und das Fahrrad?»
«Die Fahrradkarte scheint auch zurückgegeben worden zu sein, aber wir können den Beamten nicht ausfindig machen, der Näheres darüber wissen könnte. Es wäre viel leichter, wenn wir wenigstens wüßten, wie das Fahrrad aussieht, das wir suchen.»
«Hm, ja. Ein paar genaue Beschreibungen wären nicht schlecht. Mrs. McLeod müßte doch wissen, wie Waters’ Fahrrad aussieht. Und Andy kann uns seine Karre bestimmt bis auf den letzten Kratzer im Lack beschreiben. Sein Fahrrad hat übrigens neue Reifen. Das müßte auch schon weiterhelfen.»
«Und dann noch Farrens Fahrrad.»
«Ganz recht. Und hier auf dem Hof steht auch eine hübsche Kollektion von Fahrrädern, männlich wie weiblich. Wer in Gatehouse oder Kirkcudbright mal ein Fahrrad braucht, dürfte keine allzu großen Schwierigkeiten haben. Und sie sehen einander auch noch alle so ähnlich – lauter biedere, fleißige Drahtesel und so alt wie Methusalem. Jedenfalls könnte das Fahrrad des Mörders, falls er ein Mörder war und ein Fahrrad benutzt hat, inzwischen längst wieder friedlich zu Hause stehen.»
«Das ist allerdings wahr», meinte der Polizeipräsident. «Wir werden die Beschreibung aber trotzdem rundgehen lassen.»
Sergeant Dalziel
Sergeant Dalziel erwachte am Donnerstagmorgen unerfrischt und gereizt. Er hatte sich auf diesen jungen Mann in Stranraer ziemlich verlassen. Dienstags um die Mittagszeit einen Mord gemeldet zu bekommen und am nächsten Morgen um halb sieben den Mörder zu haben, das wäre für seine Begriffe wirklich einmal gute Arbeit gewesen. Nun mußte er ganz von vorn anfangen. Die voluminösen, widersprüchlichen und verwirrenden Meldungen aus Kirkcudbright bereiteten ihm Kopfzerbrechen. Gar nicht zufrieden war er auch mit dem Radfahrer von Girvan. Es mußte doch gewiß möglich sein, ihm und seinem Fahrrad auf die Spur zu kommen. Diese Nachforschungen per Telefon waren nie ganz das Wahre. Er sah wohl keine andere Möglichkeit, als sich selbst hinzubemühen. Unter vergrätztem Brummen zwängte er sich in sein armseliges Auto, holte Konstabler Ross ab, den er als Adjutanten mitnehmen wollte, und zog aus, Beschreibungen zu besorgen.
Mit dem Anwoth Hotel fing er an. Hier hatte er den Vorteil, mit dem erbosten
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