Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
schaffen, mit roher Gewalt? Stellen Sie sich vor, Sie hätten mich da hinuntergestoßen, und ich hätte mit gebrochenem Schädel unten gelegen, wie Campbell! Was dann? Wären Sie dann besser daran gewesen oder schlechter? Was hätten Sie mit der Leiche gemacht, Strachan?»
Der Maler sah ihn an und schlug mit einer Geste der Verzweiflung den Handrücken vor die Stirn.
«Mein Gott, Wimsey», sagte er, «Sie sind ein Satan!» Er ging zurück und ließ sich bebend auf seinen Schemel sinken. «Ich hab Sie wirklich umbringen wollen. Ich bin so jähzornig. Warum haben Sie das nur getan?»
«Ich wollte sehen, wie jähzornig Sie sind», antwortete Wimsey kühl. «Und im Grunde wissen Sie doch», fuhr er fort, «wenn Sie mich wirklich umgebracht hätten, wären Sie kaum ein Risiko eingegangen. Sie hätten nur wegzufahren und mich liegenzulassen brauchen. Man hätte meinen Wagen hier gefunden. Alle hätten angenommen, daß mich der Wind von den Füßen gerissen und in die Tiefe geschleudert hätte, so ähnlich wie bei Campbell. Was hätte man Ihnen denn beweisen können?»
«Wahrscheinlich gar nichts», meinte Strachan.
«Glauben Sie das?» fragte Wimsey. «Wissen Sie, Strachan, ich wünschte fast, ich hätte mich hinunterstoßen lassen, nur um zu sehen, was Sie dann gemacht hätten. Na ja, lassen wir das. Es fängt an zu regnen. Wir sollten einpacken und heimfahren.»
«Ja», sagte der andere. Er war noch immer sehr blaß, aber er stand gehorsam auf und begann sein Malzeug zusammenzupacken. Wimsey sah, daß er trotz seiner offensichtlichen Erregung schnell und ordentlich dabei zu Werke ging und jeden Handgriff nach einer feststehenden Reihenfolge vorzunehmen schien. Er befestigte die noch feuchte Leinwand in einem Transportbehälter, wobei er die Nadeln ganz mechanisch einsteckte und die Riemen anzog, dann legte er die Pinsel in einen Blechkasten und die Palette in eine Schachtel und sammelte die Farbtuben von der unteren Leiste der Staffelei ein.
«Hoppla!» rief er plötzlich.
«Was gibt’s?» fragte Wimsey.
«Das Kobaltblau ist weg», sagte Strachan mürrisch, «es muß runtergefallen sein.»
Wimsey bückte sich.
«Hier ist es», sagte er, indem er die Tube zwischen ein paar Büscheln Heidekraut hervorholte. «Ist das jetzt alles?»
«Das ist alles», sagte Strachan. Er tat die Tuben in den Kasten, klappte die Staffelei zusammen und stand da, als ob er auf Befehle wartete.
«Dann sollten wir mal losziehen», meinte Wimsey und schlug den Kragen hoch, denn es begann jetzt richtig zu gießen.
«Hören Sie», sagte Strachan, der unbeweglich im Regen stehenblieb, «was haben Sie jetzt vor?»
«Nach Hause zu fahren», sagte Wimsey. «Es sei denn –» er schaute Strachan fest an – «es sei denn, Sie möchten mir noch etwas sagen.»
«Eines will ich Ihnen sagen», antwortete Strachan. «Eines Tages gehen Sie zu weit und jemand bringt Sie wirklich um.»
«Das würde mich nicht im allermindesten überraschen», sagte Lord Peter liebenswürdig.
Mrs. Smith-Lemesurier
In dieser ganzen Zeit gab es nun jemanden, der sich sehr gekränkt und vernachlässigt fühlte, und das war der junge Konstabler, der bei der Vernehmung Mr. Jock Grahams solch einzigartigen Mißerfolg gehabt hatte. Dieser junge Mann, der auf den Namen Duncan hörte, nahm seinen Beruf sehr ernst, und er war sich schmerzlich bewußt, daß man ihm keine angemessene Chance gab. Graham hatte ihn ausgelacht; Sergeant Dalziel, der wichtigtuerisch Jagd auf Fahrräder und Eisenbahnfahrkarten machte, hatte seine Vorschläge schnöde ignoriert und ihn sich weiter mit Betrunkenen und Verkehrsrüpeln herumschlagen lassen. Niemand zog Konstabler Duncan ins Vertrauen. Dann würde Konstabler Duncan eben eigene Wege gehen. Wenn er ihnen erst gezeigt hatte, was er konnte, würde es ihnen vielleicht leid tun.
Konstabler Duncan hegte nicht den allergeringsten Zweifel, daß Jock Grahams Tun und Lassen der näheren Betrachtung bedurfte. Es gab da so Gerüchte. In den Bars fielen Andeutungen. Man hatte Fischer einander anstoßen und plötzlich verstummen sehen, wenn Grahams Name genannt wurde. Unglücklicherweise ist es dem Ortspolizisten in einem Landstädtchen kaum möglich, herumzuschnüffeln und wie ein Sherlock Holmes den Leuten die Informationen aus der Nase zu ziehen. Man kennt seine Physiognomie. Er ist ein Gezeichneter. Duncan spielte ein wenig mit dem Gedanken, sich (in der dienstfreien Zeit) als alternder Priester oder bretonischer Zwiebelverkäufer zu
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