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Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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verkleiden, aber ein Blick auf sein strammes Spiegelbild mit den runden rosigen Wangen nahm ihm schnell sein Selbstvertrauen. Wie beneidete er doch den Detektiv von Scotland Yard, der, verloren in der großen Menge, hinter sich eine starke Macht, unerkannt und undurchdringlich herumlaufen, mit Dieben im Ostend zusammenstecken oder in Mayfair mit Herzögen und Millionären in Nachtclubs sitzen konnte. Ach ja! Und in Creetown und Newton Stewart brauchte er nur die Nase durch die Tür zu stecken, schon kannte und mied man ihn.
    Er stellte beharrlich seine Fragen, schmeichelte oder drohte gar dem einen oder anderen, der mehr zu wissen schien, als er wissen sollte. Zum einen Unglück hat der schottische Bauer ein bemerkenswertes Talent, zu schweigen, wenn er will, und zum anderen Unglück war Jock Graham in der Gegend sehr beliebt. Nach mehreren Tagen solcher Ermittlungen aber konnte Duncan endlich eine handfeste Information zutage fördern: Ein Bauer, der am Dienstagvormittag um halb zwölf mit einem Karren in Richtung Bargrennan gefahren war, hatte auf dem anderen Ufer des Cree einen Mann gehen sehen, als ob er vom Ort des Verbrechens käme. Der Mann war sofort in Deckung gegangen, als wollte er nicht erkannt werden, aber da hatte der Bauer ihn bereits mit Bestimmtheit als Jock Graham erkannt. Ansonsten aber gelang es Duncan nur noch, Gerüchte zu vernehmen – und in die Welt zu setzen. Ein Journalist vom Glasgow Clarion , dem er etwas voreilig mehr erzählt hatte, als er sollte, brachte einen überaus ungeschickten Artikel, und Konstabler Duncan bekam von seinen geplagten Vorgesetzten einen schweren Rüffel.
    «Und wenn Graham so schuldig wäre wie die Sünde selbst», sagte Sergeant Dalziel wütend – es war nämlich derselbe Tag, an dem der Dienstmann aus Girvan Blinddarmentzündung bekommen hatte, und der Sergeant war durchaus nicht abgeneigt, an jemandem die Wut auszulassen –, «warum müssen Sie ihm auf die Nase binden, daß er verdächtigt wirrrd, damit er sich noch schnell ein Alibi verschaffen kann? Hier, sehen Sie sich das mal an!» Er wedelte mit dem Clarion vor Duncans unglücklichen Augen herum. «‹Grrrund zu der Annahme, daß die Tat von einem Künstler begangen wurrrde.› Wollten wir nicht gerade das den Verdächtigen nicht auf die Nase binden? ‹Bekannter Künstler von unserem Korrespondenten interviewt.› Wer hat Ihnen gesagt, Sie sollen diesen Kerrrl bei Grrraham rrrumspionieren schicken? Wenn Sie nicht lernen können, den Mund zu halten, Charlie Duncan, dann sehen Sie sich mal lieber nach einem anderen Berrruf um!»
    Die Indiskretion hatte allerdings Folgen. Am Samstagmorgen saß Sergeant Dalziel in seinem Büro, als eine Dame hereingeleitet wurde, dezent in Schwarz gekleidet und mit engsitzendem Hut. Sie lächelte den Sergeant nervös an und flüsterte, daß sie eine Aussage im Zusammenhang mit dem Mord an Campbell zu machen wünsche.
    Dalziel erkannte die Dame recht gut. Es war Mrs. Smith-Lemesurier, eine «Zugereiste», seit etwa drei Jahren wohnhaft in Newton Stewart. Sie gab sich als Witwe eines afrikanischen Kolonialbeamten aus, lebte einfach und bescheiden in einem umgebauten kleinen Cottage mit einem französischen Dienstmädchen. Ihre Art war etwas weinerlich und naiv, ihr Alter etwas höher, als es den ersten Anschein hatte, so daß junge Männer, die es nicht besser wußten, in ihr leicht die erfrischende Offenbarung unergründlicher Weiblichkeit erblickten. Warum sie sich ausgerechnet hier am Ende der Welt niedergelassen hatte, konnte niemand so recht erklären. Mrs. Smith-Lemesurier pflegte dazu zu sagen, daß die Mieten in Schottland so niedrig seien und sie mit ihrem bescheidenen kleinen Einkommen so gut zurechtkommen müsse wie eben möglich. Es spiele ohnehin keine Rolle, wo sie wohne, fügte sie dann traurig an; seit dem Tod ihres Gatten stehe sie auf der Welt ganz allein da. Lord Peter Wimsey war ihr vor einem Jahr anläßlich eines kleinen Basars der Episkopalkirche vorgestellt worden. Er hatte hinterher gefühllos gemeint, die Dame sei «auf Beutefang». Das war undankbar, denn Mrs. Smith-Lemesurier hatte sich ihm einen ganzen Nachmittag lang, der für ihn sehr langweilig gewesen sein mußte, überaus liebevoll gewidmet und ihm ein Sachet aus grüner Seide verkauft, auf das sie eigenhändig das Wort «Pyjamas» gestickt hatte. «Geld kann ich nicht geben», hatte sie, schüchtern zu ihm auflächelnd, gesagt, denn sie war eine zierliche kleine Person, «aber ich gebe

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