Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
vielleicht kommen Sie dann noch besser an.‹ Aber ich – nein! Gott hat mir nicht den Haarwuchs für einen Schnurrbart gegeben.«
»Besaß Alexis überhaupt ein Rasiermesser?«
»Wie soll ich das wissen? Wenn er wußte, daß er vom Rasieren Pickel bekommen würde, muß er es ja einmal versucht haben, n’est-ce pas? Aber ob er ein Rasiermesser hatte, das weiß ich nicht. Weißt du etwas davon, Doris?«
»Ich? Das hab ich gern. Alexis war nie mein Schwarm. Aber ich frage mal Leila Garland, die müßte es wissen.«
» Sa maîtresse « , erklärte Antoine. »Ja, frag sie, Doris. Denn das ist offenbar von großer Wichtigkeit. Daran hatte ich gar nicht gedacht, mon dieu !«
»Sie haben mir sehr viel Interessantes erzählt«, sagte Harriet. »Ich bin Ihnen sehr dankbar. Und noch dankbarer wäre ich Ihnen, wenn Sie für sich behalten könnten, daß ich Sie gefragt habe, denn Sie wissen ja, die Zeitungsreporter und so weiter –«
»Oh!« sagte Antoine. »Hören Sie, Mademoiselle, Sie dürfen nicht denken, nur weil wir Puppen sind, die man kauft und verkauft, hätten wir keine Augen und Ohren. Dieser Herr, der heute morgen angekommen ist – meinen Sie, wir wüßten nicht, wer er ist? Dieser Lord Peter, so berühmt, kommt doch nicht für nichts und wieder nichts hierher, hein ? Er redet nicht für nichts und wieder nichts mit Ihnen und stellt Fragen. Er würde sich nicht dafür interessieren, wenn ein ausländischer Tänzer sich in einem Anfall von schlechter Laune die Kehle durchgeschnitten hat. Nein. Aber wir verstehen uns natürlich auch auf Diskretion. Ma foi, sonst würden wir unsere Arbeit nicht lange behalten, Sie verstehen, ja? Wir sagen Ihnen, was wir wissen, und die Dame, die des romans-policiers schreibt, und der Lord, der ein connaisseur des mystères ist, führen Ermittlungen. Aber wir sagen nichts. Es ist unser Geschäft, nichts zu sagen. Das versteht sich.«
»Richtig«, meinte Charis. »Wir verraten nichts. Es gäbe auch gar nicht viel, was wir erzählen könnten. Natürlich hat die Polizei uns auch schon ausgefragt, aber die glaubt ja sowieso nie, was man ihr sagt. Die glauben bestimmt alle, es hätte etwas mit Leila zu tun. Wenn einem Mann etwas zustößt, meint die Polizei immer, daß eine Frau dahintersteckt.«
»Aber«, sagte Antoine, »das ist doch ein Kompliment.«
8
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Das Zeugnis des zweiten Barbiers
So schickt zurück ihn doch, den Prahler ohne Maske in sein Elendsloch.
LETTER FROM GÖTTINGEN
SAMSTAG, 20. JUNI / SONNTAG, 21. JUNI
Wimsey, satt von Frühstück, Sonne und Seligkeit, spazierte friedvoll über den gepflegten Rasen vor dem Hotel George in Stamford, da und dort stehenbleibend, um den Duft einer roten Rose einzuatmen oder Alter und Ausdehnung einer Wistarie zu bewundern, die ihre trägen Ranken an der grauen Steinmauer entlangschob. Er war mit sich selbst übereingekommen, Oberst Belfridge um elf Uhr aufzusuchen. Bis dahin würden sie beide ihr Frühstück verdaut haben und aufnahmefähig sein für ein geselliges kleines Häppchen. Er hatte das angenehm sichere Gefühl, auf der Spur eines hübsch schwierigen, gehaltvollen Problems zu sein, das es unter angenehmen Begleitumständen auszuknobeln galt. Er zündete sich eine gut eingerauchte Pfeife an und fand das Leben schön.
Um zehn Minuten nach elf fand er das Leben nicht mehr ganz so schön. Oberst Belfridge, der aussah wie von H. M. Bateman in einem besonders inspirierten Augenblick entworfen, war zutiefst entrüstet. Er fand es ausgesprochen ungehörig für einen Gentleman, hinzugehen und den Barbier – hrrrm! – eines anderen Gentleman nach dessen Privatangelegenheiten auszufragen, und er verwahrte sich gegen die Unterstellung, daß ein Mann wie er etwas mit dem – hrrrm! – Hinscheiden eines hergelaufenen Ausländers – hrrrm! – in einem hinterwäldlerischen Badeort namens Wilvercombe zu tun haben könne. Wimsey sollte sich schämen – hrrrm! –, sich in Sachen einzumischen – ha! –, die verdammt noch mal Sache der Polizei sind, Sir! Wenn die Polizei ihre Arbeit nicht selber machen kann, wozu zahlt man dann seine Abgaben und Steuern, können Sie mir das mal sagen, Sir?
Wimsey entschuldigte sich für die Belästigung und wandte ein, daß der Mensch ja irgendein Stekkenpferd brauche.
Der Oberst ließ ihn wissen, daß Golf – hrrrm! – oder eine Spanielzucht geziemendere Beschäftigungen für einen Herrn von Stand seien.
Wimsey erwähnte, daß er während des Krieges ein bißchen geheimdienstlich
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