Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
gewesen sei, wie wenn er ein gutes Geschäft gemacht habe. Und seit dieser Zeit habe man die fragliche junge Dame in Begleitung eines anderen Herrn gesehen, von dem man annahm, daß er ein Freund von Alexis war.
»Und wenn Sie mich fragen«, sagte Doris in einem Tonfall, dessen Cockney-Färbung von dick aufgetragener Vornehmheit überlagert war, »hat Alexis sie dem andern mit voller Absicht angedreht, damit sie seinen andern Plänen nicht im Weg stand.«
»Welchen andern Plänen?«
»Das weiß ich nun wirklich nicht. Aber irgend etwas führte er die letzten Wochen im Schilde. Ganz groß hat er sich damit getan. Man kam sich fast vor, als wenn man mit Seiner Hochwohlgeboren gesprochen hätte. ›Du wirst schon sehen‹, sagt er, ›hab nur ein bißchen Geduld.‹ – ›Bitte‹, sag ich, ›ich will mich gar nicht einmischen. Du kannst deine Geheimnisse ruhig für dich behalten, die will ich gar nicht wissen.‹ Meiner Meinung nach hat er irgendwas im Schilde geführt. Ich weiß nicht, was es war, aber er hat sich angestellt, als wenn es Gott weiß was wäre.«
Mrs. Weldon hat dasselbe gesagt, dachte Harriet. Alexis habe ihr große Neuigkeiten in Aussicht gestellt – allerdings hatte Mrs. Weldon dieser Bemerkung ihre eigene Interpretation gegeben. Harriet sondierte von neuem.
»Aufgebot?« meinte Charis. »O nein! Das hätte er bestimmt nicht auch noch an die große Glocke gehängt. Er kann sich unmöglich darauf gefreut haben, diese entsetzliche alte Frau zu heiraten. Na ja, ihr geschieht’s recht. Jetzt sitzt sie da. Ich finde so etwas einfach widerlich.«
»Mir tut sie leid«, sagte Antoine.
»Ach Gott, dir tun die Leute immer leid. Ich finde so etwas abstoßend. Diese dicken alten Männer sind schon so abstoßend, wenn sie einen dauernd angrapschen. Wenn Greely nicht so ein anständiger Kerl wäre, würde ich den Kram hinschmeißen, aber ich muß sagen, er sorgt dafür, daß sie sich benehmen. Aber eine alte Frau erst –«, Charis, in der Blüte ihrer Jugend, brachte ihre Verachtung mit Worten wie mit Gesten zum Ausdruck.
»Ich denke mir«, warf Harriet ein, »daß Alexis vielleicht eine gewisse finanzielle Sicherheit gesucht hat. Ich meine, ein Tänzer kann seinen Beruf nicht sein Leben lang ausüben. Besonders wenn er nicht sehr kräftig ist.«
Sie hatte zögernd gesprochen, aber zu ihrer Erleichterung gab Antoine ihr sofort und nachdrücklich recht.
»Das stimmt. Solange wir jung und fidel sind, ist alles gut. Aber bald wird der Kopf kahl, die Beine werden steif – und aus ist es! Dann sagt die Direktion: ›Das ist ja alles schön und gut, Sie sind ein wunderbarer Tänzer, aber meine Gäste ziehen einen jüngeren Mann vor, hein? ‹ Dann heißt es Abschied nehmen von den erstklassigen Etablissements. Es geht, wie Sie sagen würden, bergab mit uns. Ich sage Ihnen, es ist eine große Versuchung, wenn jemand kommt und sagt: ›Schau her, du brauchst mich nur zu heiraten, und ich mache dich so reich, daß du für dein Leben ausgesorgt hast.‹ Und was ist schon dabei? Man lügt dann eben jeden Abend seiner eigenen Frau etwas vor statt zwanzig bis dreißig dummen alten Damen. Beides tut man für Geld – wo ist der Unterschied?«
»Na ja, dahin werden wir wohl alle noch kommen«, meinte Charis mit einer Grimasse. »Aber wie Alexis immer geredet hat, sollte man meinen, er hätte es doch ein bißchen romantischer haben wollen. Dieser ganze Quatsch von seiner edlen Geburt und den verlorenen Reichtümern – genau wie in diesen Romanen, die er so liebte. Ein romantischer Held, wenn man ihm glaubte. Mußte auch immer im Rampenlicht stehen, unser Mr. Paul Alexis. Wenn er tanzte, hatte man das Gefühl, er erweist dem Parkett eine große Ehre. Und am Ende soll der Märchenprinz so tief sinken und eine alte Frau ihres Geldes wegen heiraten!«
»Na, so schlimm war er nun auch wieder nicht«, widersprach Doris. »So solltest du nicht über ihn reden. Es ist kein leichtes Leben, das wir Tänzer führen – jeder behandelt uns doch wie Dreck. Dabei würden sie alle sofort zugreifen, wenn man ihnen nur die kleinste Chance gäbe. Warum sollte Alexis oder irgendein anderer von uns sich nicht ein bißchen schadlos halten? Und jedenfalls ist er jetzt tot, da sollte man ihn nicht auch noch runtermachen.«
»Ah, voilà !« sagte Antoine. »Er ist tot. Und warum ist er tot? Man schneidet sich nicht die Kehle durch pour s’amuser. «
»Das ist auch wieder so etwas, woraus ich nicht schlau werde«, sagte Charis.
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