Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
hätte so einiges über eine solche Regelung zu sagen gehabt, die den eigenen Sohn mit den lebenslangen Zinsen aus 30000 Pfund abspeiste, die danach an einen jungen Stiefvater zurückgingen, und dem Stiefvater mehr als das dreifache dieser Summe zur freien Verfügung überließ; eine Regelung, die zudem die hypothetische Familie des Sohnes weitaus schlechter stellte als die ebenso hypothetischen Kinder des Stiefvaters mit einer hypothetischen neuen Frau. Aber das Geld gehörte nun einmal Mrs. Weldon, und immerhin hatte Alexis sie von der Riesendummheit abgehalten, zu seinen Gunsten auf den letzten Heller zu verzichten. Ein Wort hatte sie die Ohren spitzen lassen, und darauf kam sie jetzt zurück.
»Ich finde, Sie haben sich recht viel dabei gedacht«, sagte sie – wobei sie offenließ, ob es klug oder unklug gedacht war –, »denn wenn Ihr Sohn zur Verschwendung neigt, ist es viel besser für ihn, nur den Ertrag und nicht das Kapital zur Verfügung zu haben. Dann hat er immer etwas, worauf er zurückgreifen kann. Ich nehme an, diese Regelung gilt nach Ihrem jetzigen Testament noch immer?«
»Ja«, sagte Mrs. Weldon. »Das heißt, sie wird gelten. Ich muß gestehen, daß ich da bisher ein wenig nachlässig war. Denn eigentlich habe ich noch gar kein Testament gemacht. Ich habe mich immer so wundervoller Gesundheit erfreut – aber das muß natürlich bald geschehen. Sie wissen ja, wie man so etwas immer hinausschiebt.«
Die alte Geschichte, dachte Harriet. Wenn alle die klugen Testamentsverfügungen, die sich die Leute so ausdenken, wirklich in die Tat umgesetzt würden, käme es nicht so oft vor, daß Leute ein Vermögen erben, nur um es wegzuwerfen. Sie überlegte, daß Henry Weldon in den Besitz von rund 130000 Pfund kommen würde, wenn Mrs. Weldon morgen das Zeitliche segnete.
»Wissen Sie«, sagte sie, »ich glaube, wenn ich Sie wäre, würde ich dieses Testament ganz schnell machen. Auch der Jüngste und Gesündeste kann einmal überfahren werden oder sonstwie zu Tode kommen.«
»O ja – da haben Sie recht. Aber seit der arme Paul tot ist, habe ich einfach nicht die Energie für Geschäfte. Es wäre natürlich viel wichtiger, wenn Henry verheiratet wäre und Kinder hätte, aber er sagt ja, er will nicht heiraten, und wenn das so ist, kann er das Geld auch gleich verbrauchen. Sonst ist ja niemand mehr da. Ich fürchte, ich langweile Sie sehr mit diesem ganzen Geschwätz, meine Liebe. Sie haben nach dem armen Paul gefragt, und ich erzähle Ihnen diese ganzen dummen Privatangelegenheiten. Ich wollte ja nur sagen, daß Paul sich unmöglich wegen irgendwelcher Spekulationen Sorgen gemacht haben kann. Er wußte doch, daß er Geld genug haben würde. Außerdem«, fügte Mrs. Weldon völlig zu Recht an, »kann man ohne Kapital nicht spekulieren, oder? Geld heckt Geld, wie mir einmal ein Börsenmakler gesagt hat, den ich kannte, und Paul hatte niemals irgendwelches Anfangskapital. Ich glaube auch nicht, daß er vom Spekulieren etwas verstanden hat; er war so romantisch und weltfremd, der arme, gute Junge.«
»Mag sein«, sagte Harriet zu sich selbst, »mag sein. Immerhin hat er sich an die Person heranzumachen verstanden, die welches hatte.« Sie war ein wenig überrascht. »Wohlhabend« ist ein dehnbarer Begriff – sie hatte geglaubt, Mrs. Weldon verfüge vielleicht über dreitausend Pfund im Jahr. Aber wenn ihr Geld gut angelegt war – und sie redete, als ob dies der Fall sei –, mußte sie mindestens das Doppelte zur Verfügung haben. Man hätte es einem Hungerleider wie Alexis nachsehen können, wenn er die 130000 Pfund geheiratet hätte, auch auf Kosten von Wohlbefinden und Selbstachtung. Hatte er denn die Heirat überhaupt beabsichtigt? Und wenn er sich andererseits darum drücken und außer Landes gehen wollte – welche ungeheuerliche Drohung oder Verlockung hätte ihn dazu bringen können, eine solch goldene Zukunft gegen den viel matteren Glanz von dreihundert Sovereigns einzutauschen, mochten sie noch so echtes Edelmetall sein?
Und Henry? Selbst nach Abzug der Erbschaftssteuer waren 130000 Pfund ein hübsches Sümmchen, und mancher hatte schon für weniger gemordet. Nun, Lord Peter hatte es übernommen, sich um Henry zu kümmern. Sie merkte soeben, daß Mrs. Weldon wieder redete.
»Was für ein eigenartiges Gesicht Monsieur Antoine hat«, sagt sie. »Er scheint ein netter junger Mann zu sein, aber ich glaube, er ist alles andere als robust. Gestern hat er so freundlich zu mir über Paul
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