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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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war es mit dem Hof abwärts gegangen. Die Zeiten waren schwerer geworden für die Landwirtschaft. Wenn ein Hof seinen Besitzer ernähren sollte, mußte dieser mehr und mehr selbst mit Hand anlegen und sich um alles kümmern; Henry tat dies weniger und weniger. Er versuchte sich in der Pferdezucht, kam dabei aber auf keinen grünen Zweig, weil er eine unglückliche Hand beim Ankauf und im Umgang mit den Tieren hatte. Mrs. Weldon hatte inzwischen den Hof schon verlassen, auf dem sie sich nie wohlgefühlt hatte, und führte ein Nomadenleben in Kur- und Erholungsorten. Henry hatte verschiedentlich eine Anleihe von ihr erbeten und bekommen; aber Mrs. Weldon hatte sich standhaft geweigert, ihm etwas von ihrem Kapital zu übereignen, obwohl sie das mittlerweile gekonnt hätte, denn die Treuhänder waren tot und die Treuhandschaft aufgehoben. Sie hatte von ihrer nonkonformistischen Tante doch etwas gelernt. Als sie schließlich herausbekam, daß Henry sich in eine unehrenhafte Affäre mit der Frau eines Gastwirts in einem Nachbarort eingelassen hatte, war es zwischen ihr und Henry zu lauten Auseinandersetzungen und schließlich zum Bruch gekommen. Seitdem hatte sie wenig von ihm gehört. Sie wußte aber inzwischen, daß die Affäre mit der Gastwirtsfrau zu Ende war, und im Februar des laufenden Jahres hatte sie ihn von ihrer bevorstehenden Heirat mit Alexis unterrichtet. Henry war für ein Wochenende nach Wilvercombe gekommen, hatte Alexis kennengelernt und das Vorhaben ausdrücklich mißbilligt. Das hatte natürlich nicht gerade zur Besserung des Verhältnisses beigetragen; die Beziehungen zwischen Mutter und Sohn waren gespannt geblieben, bis Alexis’ Tod die einsame Frau gezwungen hatte, Trost in den Banden des Bluts zu suchen. Henry war gekommen, hatte sich ob seiner früheren Widerborstigkeit zerknirscht gezeigt, hatte Vergebung erhalten und bewiesen, daß er schließlich doch ihr liebender Sohn war.
    Harriet erwähnte Mrs. Lefrancs Theorie, wonach Alexis wegen des Scheiterns unbekannter, wichtiger »Spekulationen« Selbstmord begangen habe. Mrs. Weldon wies das verächtlich zurück.
    »Meine Liebe, was hätte ihm das denn anhaben können? Paul wußte ganz genau, daß ich ihm nach unserer Heirat mein Geld übertragen hätte – bis auf einen kleinen Betrag für Henry natürlich. Gewiß, normalerweise hätte Henry alles bekommen, und ich fürchte, er war ein wenig aufgebracht, als er hörte, daß ich wieder heiraten wollte, aber es war eigentlich gar nicht recht von ihm, so zu denken. Sein Vater hatte ihn gut versorgt und ihm immer klargemacht, daß er nichts von mir erwarten dürfe. Schließlich war ich noch eine recht junge Frau, als mein Mann starb, und George – er war immer ein sehr anständig denkender Mensch, das muß ich ihm lassen – hat immer gesagt, daß ich das unbestrittene Recht hätte, mit dem Geld meines Vaters zu machen, was ich wollte, und auch wieder zu heiraten, wenn ich wollte. Und ich habe Henry schon ziemlich viel Geld geliehen, das er nie zurückgezahlt hat. Als ich mich mit Paul verlobte, habe ich zu Henry gesagt, daß ich ihm alles, was ich ihm bisher geliehen hatte, schenken würde, und außerdem wollte ich ihm in meinem Testament die lebenslange Nutznießung von 30000 Pfund überlassen; das Kapital sollten seine Kinder bekommen, falls er welche hätte. Wenn nicht, sollte es an Paul zurückgehen, wenn er Henry überlebte, denn Paul war natürlich der jüngere von beiden.«
    »Wollten Sie denn den ganzen Rest Mr. Alexis übertragen?«
    »Warum nicht, meine Liebe? Es war ja nicht so, daß ich noch Kinder hätte bekommen können. Aber Paul wollte das nicht – er hat gemeint, was soll denn dann aus mir werden, wenn er mich sitzenläßt – so reizend und dumm von ihm! Nein, ich wollte folgendes tun: Ich wollte Paul 30000 Pfund übertragen, wenn wir heirateten. Das Geld hätte natürlich uneingeschränkt ihm gehört – ich hätte nicht gewollt, daß mein Mann jedesmal kommen und mich um Erlaubnis fragen muß, wenn er über Geld verfügen will. Bei meinem Tod hätte dann Henry die Zinsen aus den anderen 30000 Pfund erhalten und seine Schulden erlassen bekommen, und Paul hätte den ganzen Rest bekommen, was einschließlich seiner eigenen 30000 Pfund zusammen etwa 100000 Pfund ausgemacht hätte. Denn sehen Sie, Paul hätte ja wieder heiraten und eine Familie gründen können, und dann hätte er das Geld gebraucht. Ich weiß nicht, was daran ungerecht gewesen wäre. Sie vielleicht?«
    Harriet

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