Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
fixiert. Der ganze Lärm des Krankenhauses verhallte. Er hörte nicht das summende Telefon, nicht die Lautsprecheranlage oder das Gluckern des Getränkeautomats in der Ecke. Oder richtig wäre, zu sagen, er hörte all diese Geräusche überdeutlich. Aber er konnte sie nicht zuordnen. Sein Blut rauschte und übertönte alles.
Mehre Minuten stand er einfach nur da und tat gar nichts. Seine Tasche, die er an sein Bein gelehnt hatte, rutschte langsam zu Boden. Er spürte es nicht. Sein ganzes Leben suchte und verfluchte er seine Eltern. Und nun fanden sie ihn. Zumindest sein Vater. Ob seine Mutter noch lebte? Und wenn sie ihn beobachtet hatten, wieso hatte er dann nie erfahren, dass sie noch existierten? Wieso hatten sie ihn damals nicht behalten?
Sein Mund war trocken und seine Augen seltsam glasig. Entschlossen hob er den Blick vom Umschlag. In der Ecke stand ein Papierkorb. Es wäre ein leichtes, dorthin zu gehen und die Geburtsurkunde zu vernichten. Gar nicht erst zu erfahren, was er all die Jahre doch nicht gebraucht hatte.
Doch etwas hinderte ihn daran. Der Wunsch, es doch zu wissen. Gleichzeitig wusste er mit aller Gewissheit, dass er die Wahrheit nicht allein tragen konnte. Er brauchte Hilfe.
Langsam begannen seine Muskeln, sich wieder an Tätigkeiten zu erinnern. Er nahm seine Tasche auf und schritt den Gang herunter. Mit dem Fahrstuhl fuhr er in den ersten Stock. Dann schlich er zu Els Zimmer, ohne den Umschlag in seinen Händen aus den Augen zu lassen. Er hatte das Gefühl, wenn er das tat, dann würde er sich in Luft auflösen.
Er erreichte Elijahs Zimmer und stieß die Tür auf. Als er hinein blickte, war alles andere vergessen.
Das Zimmer war leer! El war verschwunden! Die Decke lag zurück geschlagen auf dem Bett. Hatte man ihn entführt? Schon wieder? Wo waren die Mädchen?
„Elijah?“ Umschlag und Koffer fielen zu Boden. Mark riss die Badtür auf, doch auch hier war das Feuer nicht. Er stürzte nach draußen und blickte den Gang auf und ab.
Und da sah er ihn. Elijah hockte inmitten ein paar Kinder in der Spielecke der Station!
Erleichtert nahm Mark Umschlag und Koffer und lief zu ihm.
Elijah saß auf einem bunten Kinderstuhl, an einem Tisch, der viel zu klein für ihn war. Auf seinem Schoß saß eine Zweijährige, die begeistert an seinen Haaren zupfte.
Neben ihm waren zwei ältere Kinder, die auf weiße Blätter malten. Ein Junge und ein Mädchen. Beide waren sehr blass. Das Mädchen trug ein Mundschutz.
„Mal mir einen Elefenaten!“, bat der Junge El.
„Einen Elefenaten?“, wiederholte dieser lachend. „Mal sehen, ob ich das hinbekomme.“ Er lächelte Mark an, der neben ihm zum stehen kam und ihn betrachtete. Es schien dem Wind, als wäre Elijah ein Fremder. Auf einmal fühlte er sich entrückt. El war der Fremde und er, Mark, war nur ein stummer Betrachter. Der Umschlag brannte.
Elijah setzte den roten Stift auf das weiße Blatt. Mark beobachtete jeden Schwung seiner weißen Hände, als er malte. Als wäre die Bewegung verlangsamt und nur Mark konnte das sehen. Er malte einen Hut.
„Wo ist denn da der Elefant?“, rief das Mädchen aus. „Das ist doch nur ein alter Hut!“
Elijah legte sich eine Hand an die Stirn. „Schließt mal eure Augen.“, forderte er die Kinder auf. Und als sie es taten, flüsterte er: „Und jetzt denkt ganz fest an einen Elefanten. Stellt euch vor, wie er aussieht.“
„Ein grauer Rüssel!“, schrie das Mädchen auf.
„Und dicke Beine!“, fügte der Junge hinzu. „Und große Segelohren!“
Die Kleine auf Els Schoss jauchzte auf. Sie nahm einen Stift und malte auf ein Blatt, auf das El drei Namen geschrieben hatte: Niklas, Marianne und Svenja. Die Namen der Kinder?
„Ja, das stimmt.“ Elijah hatte die Augen ebenfalls geschlossen. „Und wisst ihr was? Der Elefant ist hier! Genau hinter mir! Wollt ihr ihn sehen?“
„Ja!“, riefen die Kinder jubelnd.
„Dann Augen auf!“, schrie El und wandte sich zu Mark. Er deutete auf ihn. „Da ist er! Da ist der Elefant! Könnt ihr ihn sehen?!“
Die beiden freuten sich sichtlich an Elijahs Spiel. Sie schrien auf, als sei Mark ein übergroßer Dickhäuter, der sie fressen wollte. Dann versteckten sie sich hinter El, der laut lachte. „Keine Angst.“, meinte er. „Darf ich euch Mark vorstellen? Mein großer Elefantenfreund. Er ist ganz lieb.“
„Marianne!“, rief das Mädchen übermütig aus. Mark benötigte eine Zeitlang, um zu verstehen, dass sie sich ihm vorgestellt hatte. Sie hatte
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