Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
zu öffnen und dieser war froh darüber. Ja, sein Platz war hier. Bei den Windlern. Bei seinem Vater. Und bald würde er sie führen können, so wie er die Elemente geführt hatte. Nur dass dies einer anderen Größenordnung unterstand. Aber er würde lernen. Er hatte Zeit...
Kai nahm die Stufen des herrschaftlichen Hauses nach unten. Im Esszimmer saß bereits sein Vater beim Frühstück. Er trug einen eleganten blauen Anzug. Als er ihn sah, ließ er das Brot in seiner Hand sinken und stand auf.
Sein Sohn warf einen Blick über die kostbaren Teppiche und die Statuen an den Wänden. Sein Vater hatte Geschmack, das musste man ihm lassen. Alles hier erschien erlesen und edel. Von den Gardinen bis hin zu den silbernen Löffeln auf der langen Tafel. Er war reich.
„Setz dich doch!“ Hieronymus deutete auf einen freien Stuhl. Er schien nervös. Kai kam der Aufforderung nach und blickte über den Frühstückstisch. Es gab einfach alles, was das Herz begehrte. Von Spiegeleiern über Marmelade bis hin zu frischen Brötchen. Nichts im Vergleich zu seinem früheren Leben.
„Wie hast du geschlafen?“, wollte sein Vater freundlich wissen und aß weiter.
Kai nahm sich Kaffee. „Gut.“, erwiderte er einsilbig. In Wahrheit hatte er schlecht geträumt. Von Elijah. Und von Collin, dessen angstweiten Augen er wohl so schnell nicht vergessen würde.
Er rief sich zur Ordnung. Er brauchte sie nicht mehr. Er brauchte nur seinen Vater.
„Das ist schön. Heute musst du viel lernen, mein Sohn.“ Herr Austen betrachtete ihn zufrieden. „Ich bin froh, dass du deinen Weg zu mir gefunden hast.“
„Kann ich dir Fragen stellen?“ Kai war begierig darauf, die Dinge zu erfahren, die er über die Windler niemals wusste. Fragen zu stellen, auf die er niemals eine Antwort bekommen hatte, als er noch auf der anderen Seite gestanden hatte. Fragen, die sich nun klären würden.
„Frag.“, forderte ihn sein Vater auf und nahm einen Schluck Kaffee.
„Wieso habt ihr Seelen mithilfe der Beißer gesammelt?“, wollte Kai als erstes wissen. „Warum braucht ihr auf einmal so viele Seelen, dass ihr es nicht mehr allein schafft?“
Mit einem Klirren setzte Herr Austen seine Tasse ab. „Seelen machen uns stark, mein Junge. Sicher hast du bemerkt, dass wir anders sind als deine ehemaligen Freunde. Wir sind so viel stärker, als sie. Und deshalb werden wir siegen. Was wir wollen sind noch mehr Seelen, um uns noch stärker zu machen. Um unsere Kräfte zu erweitern.“
„Dann stimmt es?“, hakte Kai nach. Er vergaß zu essen, obwohl er Hunger hatte.
„Es stimmt, dass man stärker wird, wenn man die Seelen in sich aufnimmt?“
„Aber ja.“
„Wie?“ Begierig hing Kai an den Lippen seines Vaters. Wie hatte er diese Stimme je als schneidend bezeichnen können? „Wie äußert sich das?“
Lange betrachtete er seinen Sohn mit seinen grauen Augen. Dann rief nach seiner Dienerin.
Die Windler trat durch einen Vorhang in der Wand und verneigte sich. Sie sah gebrochen aus. So als hätte sie sich nach langer Krankheit gerade erst erholt.
„Zeig ihm, was du kannst.“, forderte er sie auf.
Die Dienerin verneigte sich noch einmal. Dann schloss sie die Augen. Und Kai sprang auf, als er erkannte, was ihre Fähigkeit war. Sie verwandelte sich vor seinen Augen in jemand ganz anderes. In eine junge Schülerin, die ihm bekannt vorkam. Eine, die ihm vor nicht allzu langer Zeit nach dem Unterricht gesagt hatte, sie liebe ihn.
„Ah, du erkennst sie wieder.“, deutete Herr Austen seine Miene richtig. „Sie sollte dich verführen und dann zu mir bringen. Mein Sohn, ich harre schon lange einer Gelegenheit, dir die Wahrheit zu offenbaren.“
„Sie kann das Äußere von jemandem anders annehmen?“ Kai konnte es nicht glauben. Er trat näher an die Frau heran, die sich augenblicklich in eine Krankenschwester verwandelte. „Dann hast du mir die Urkunde gegeben?“, fragte er sie und die Schwester nickte stumm.
Kai wandte sich zu seinen Vater um. „Dann erlernt man dies durch die Aufnahme von Seelen? Man kann sich in andere Menschen verwandeln?“
Zu seiner Verwunderung lachte Herr Austen auf. Er rief ein zweites Mal und hinter dem Vorhang tauchte noch eine Gestalt auf. Es war der Mann mit dem hageren Gesicht, der ebenfalls zu den Windlern gehörte. „Zeig auch du, was du kannst.“, befahl Hieronymus und auch der Mann verneigte sich.
Er trat an den Tisch heran und nahm einen Apfel. Ohne zu zögern warf er ihn hoch in die Luft und fixierte ihn
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